klachrichtenblatt öer Israelitischen Kultusgemeinöen in München unö Augsburg unö öes Aerbanöes Hagerischer Israelitischer Gemeinöen
Dagerische
Israelitische Gemeinöezeitung
Erscheint am 1. unö if. jeüen Monats. — Herlag: v. heller, München, Yerzog-Mar-Straste 4 , Kernruf 93099, Postscheckkonto München Nr. 5-S7. Schristleitung: Sr. Lugen Schmiüt, Rechtsanwalt ln München, Karlstraße 6.
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Inhalt: Der jüdische Reisende Petachjah aus Regensburg — Die kultur- und religionsgeschichtliche Bedeutung des Judentums — Aus dem Verbände — Aus der Gemeinde München — Aus der Gemeinde Augsburg — Vereine — Amtlicher Anzeiger: Bekanntmachungen des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden: Bekanntmachung betr. Jahresrechnung 1927 und Haushaltplan 1928 — Bekanntmachung betr. Bildung eines Finanzausschusses — Bekanntmachung
betr. Wahlordnung und Geschäftsordnung für die Ausschüsse — Bekanntmachung betr. Vesoldungsordnung — Bekanntmachung betr. Übernahme der Alters- und Hinterbliebenenversorgung von Gemeindebeamten auf den Verband — Bekanntmachung betr. die Ergänzung der Gehalts- und Versorgungsbezüge der Volksschullehrer durch den Verband — Bekanntmachung betr. Landeswohlfahrtssonds —■ Personalia.
ver jüdische weisende petachjah aus Regensburg
Von Dr. I. Seide (München)
Die blutigen Verfolgungen der Juden im Mittelalter erreichten ihren Höhepunkt in der Zeit der Kreuzzüge. Überall, wo die Scharen der fanatisierten Kreuzfahrer auf jüdische Gemein- den stießen, floß das Blut der Juden in Strömen, ihre Wohnstätten wurden vernichtet und die aus dem Gemetzel Zurückgebliebenen an den Bettelstab gebracht. Die dauernden Verfolgungen brachten viele Gemeinden auf den Gedanken, ihre bisherigen Wohnsitze aufzugeben und neue Länder zu suchen, die wenigstens für den Augenblick eine sichere Zufluchtsstätte boten.
Um diese Zeit unternahmen zwei Männer ausgedehnte Reisen durch die damals bekannte alte Welt, die wahrscheinlich den Zweck hatten, Emigrationsmöglichkeiten für die hart bedrängten europäischen Gemeinden auszukundschaften. Die beiden Reisenden waren Benjamin aus Tudela im Königreiche Navarra und Petachjah aus Regensburg. Sie hinterließen uns beide in ihren Reiseberichten wertvolle historische Dokumente, die zur Kenntnis der Lage der Juden in der damaligen Zeit wesentlich beigetragen haben.
Die Reisebeschreibung des Petachjah aus Regensburg soll uns hier beschäftigen.
Um das Jahr 1178 trat der Regensburger Jude Petachjah, der Bruder des Tossafisten Iizchak Ha-Lawan und des R. Nach- man aus Regensburg, seine große Reise an, über die er in seinem Reisebericht, dem „Sibbuw" (Rundreise), erzählt. Sein Weg führte von Prag, das er als Ausgangspunkt der Reise bezeichnet, über Polen, Rußland, die Tatarei, Armenien nach Mesopotamien und von dort nach Persien und Palästina.
Der Reisebericht ist in einer Handschrift und einigen gedruckten Ausgaben erhalten geblieben, die jedoch allem Anschein nach nicht die ursprüngliche Fassung des Berichtes darstellen, sondern
eine spätere Redaktion. Er ist unzweifelhaft unvollkommen; ganze Absätze scheinen zu fehlen und zahlreiche Sätze und Worte sind in ihm durch spätere Abschreiber in verstümmelter, unrichtiger oder unverständlicher Form wiedergegeben worden.
Die einzige Handschrift, deren Herstellungszeit nicht näher bekannt ist, befindet sich in der Leipziger Stadtbibliothek. An gedruckten Ausgaben liegen vor: die älteste Prager Ausgabe aus dem Jahre 1595, die sog. Wagenseilsche mit lateinischer Übersetzung, gedruckt in Altdorf im Jahre 1719, die Ausgabe von Zanolini, ebenfalls mit lateinischer Übersetzung (Padua 1750), eine Fürther Ausgabe von Ottensoser aus dem Jahre 1844 mit deutscher Übersetzung und endlich die Ausgabe von Grünhut (Jerusalem 1924) mit einer deutschen Übersetzung und erklärenden Noten.
Die älteste dieser Ausgaben enthält den genauesten Text, der mit dem der Handschrift sehr genau übereinstimmt. Die meisten anderen Ausgaben sind nach ihr bearbeitet worden.
Wer nun der erste Herausgeber des Reiseberichtes gewesen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Der Reisende selbst wird in dem Bericht immer nur in dritter Person erwähnt, was darauf schließen läßt, daß er selbst ihn nicht herausgegeben haben konnte. Die allgemeine Annahme geht dahin, daß R. Iehuda der Fromme, der berühmte Zeitgenosse des Reisenden die erste Redaktion besorgt hat. Aber auch diese hat sich anscheinend in ihrer ursprünglichen Form nicht erhalten, da in der gegenwärtigen Fassung an einer Stelle, auch von Iehuda dem Frommen in der dritten Person gesprochen wird und man auch schwerlich annehmen kann, daß sich dieser bedeutende Mann selbst den Beinamen „der Fromme" beigelegt haben würde. Als Herausgeber werden auch die beiden Brüder Petachjahs Nachman und Iizchak