Nr. 2
Bayerische Israelitische Gemeindezeitung
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rern vom ersten bis zum letzten Moment hat gezeigt, wie stark das Bedürfnis der jüdischen Lehrer nach einer wissenschaftlichen Weiterbildung ist. Weiterhin hat aber auch der Fortbildungskurs aufs neue erwiesen, wie dringend eine wissenschaftliche Vorbildung für jeden jüdischen Lehrer, ob in Stadt oder Land, von all denen gefordert werden muß, denen eine gedeihliche Entwicklung des jüdischen Lebens am Herzen liegt. Eine besondere Genugtuung aber brachte der Fortbildungskurs der Lehrerschaft dadurch, daß er ihr Gelegenheit gab zu erkennen, daß das Würzburger Seminar Männer besitzt, die ein hohes Niveau der gegenwärtigen und zukünftigen Lehrerbildung gewährleisten.
sslus der Semeinde München
Lehrkurse -er Israelitischen Kultusgemeinde München
Mittwoch, den 31. Januar 1929, seht Dr. Willi Meyer (Nürnberg) seinen Spinozakurs fort. Beginn: 20.15 Ahr im Leffingsaal. Thema des Abends: Die menschlichen Leidenschaften und Gefühle bei Spinoza.
Religiöser Vortrag in der Synagoge
Am Sonntag, dem 6. Januar 1929, nachmittags 5 Uhr, fand in der Hauptsynagoge der zweite Vortrag in der Reihe der religiösen Sonntagsveranstaltungen statt. Ein sehr zahlreicher Besuch zeigte das Interesse nicht nur jüdischer Kreise an diesen Vorträgen und bewies aufs neue die Berechtigung dieser Einrichtung. Der altehrwürdige Charakter der Synagoge als Lehrhaus tritt wieder in die Erscheinung! Man geht wieder „in die Schul".
Zuerst kam Psalm 23 für Chor, Solo und Orgel in der Vertonung von Lewandowsky zu Gehör, eine gut gewählte Einleitung für den Vortrag des Herrn Rabbiner Dr. Freudenthal (Nürnberg), der anschließend über das Thema „Der Stimmungsgehalt der Psalmen" sprach. Die 150 Psalmen, die wir kennen, seien eine unversiegbare Quelle seelischer Erhebung. Für die Wissenschaft bedeuten sie ewige Rätsel; das Volksgemüt ist von den Untersuchungen der Wissenschaft unberührt geblieben, ihm ist es gleichgültig, wer der Verfasser des einzelnen Psalmes ist. Die Psalmen selber haben mit Wissenschaft nichts gemein. Es gibt nur ganz wenige Lehrpsalmen, die zum Kopf der Hörer sprechen sollen, die allermeisten Psalmen sollen zum Gemüt sprechen. Sie sind spontan aus dem Herzen, aus dem Gemüt des Dichters entsprungen, behandeln zwar Probleme und sind trotzdem keine Problemdichtungen. Dichter werden von Problemen nur zu Stimmungen, nie zu Forschungen geführt. Die Probleme sind entweder religiösen oder nationalen Charakters. Die nationalen Probleme sind vom hohen vaterländischen Gesichtspunkt aus betrachtet und das ist ein Hauptgrund dafür, daß diese jüdischen Lieder zum Gemeingut auch der nichtjüdischen Menschen wurden.
In den Psalmen ist die seelische Stimmung im Wort wiedergegeben. Um so leichter konnte sie die Musik, die das, was die Seele fühlt, in Tönen ausdrückt, aufgreifen und besonders wirkungsvoll tönen die Psalmen in der Synagoge, wo sie hebräisch gesungen werden.
Im weiteren wies der Redner an Hand von Zitaten den Sttm- mungsgehalt der Psalmen im einzelnen nach. Das innere Erleben des Psalmisten ist ein religiöses. Es wurzelt im Glauben an den einig einzigen Gott. Der Psalmist ist schwermütig, wenn er von der Kürze des Daseins spricht, aber diese Schwermut ist keine Dauerstimmung, alles wird wieder hell und froh, er kennt kein trostloses Verzweifeln.
Nachdem dann Psalm 61 für Solo und Orgel von A. Dvorak zum Vortrag gebracht war, setzte Herr Rabbiner Dr. Freudenthal seine Ausführungen fort. Den Abschluß bildete die Wiedergabe von Psalm 137 für Frauenchor, Soli und Orgel in der Vertonung von Fr. Liszt und von Psalm 150 für Chor und Orgel von Lewandowsky. Die Soli wurden von Frau B. Richard (Alt), Herrn O. Neuburger, Augsburg (Tenor) und Herrn Kantor A. Müller (Bariton) gesungen. Violine spielte Fräulein I. Tannhauser, Orgel Herr Schalit. Den Chor stellte der jüdische Gesangverein. Um die musikalische Leitung hat sich Herr Kapellmeister Ziegler verdient gemacht und mit den von ihm dirigierten Kräften den musikalischen Teil der Veranstaltung, der dem Thema des Vortrages entsprechend einen besonders großen Raum einnahm, künstlerisch wertvoll gestaltet.
F. O.
Antiquar Ludwig Rosenthal. Am 23. Dezember verstarb in München im hohen Alter von fast 89 Jahren Herr Antiquar Ludwig Rosenthal, der Gründer des weltbekannten Antiquariats Ludwig Rosenthal's Anttquariat, München.
Geboren am 2. Juli 1840 in Fellheim in Bayern trat er im Mai 1855 bei Isaak Heß in Ellwangen in die Lehre, wo er durch unablässiges Selbststudium alles das nachholte, was ihm zu erwerben infolge der beschränkten Mittel seines Vaters in seiner frühesten Jugend nicht möglich war. So gelang es ihm sich neben der Kenntnis fremder Sprachen ein umfangreiches Rüstzeug für den Buchhändler und Antiquar zu erwerben. Bereits im Jahre 1859 gründete er in Fellheim die Firma Ludwig Rosenthal's Anttquariat, die er im Jahre 1867 nach München verlegte.
Durch Ludwig Rosenthal trat München mit Leipzig, Berlin, Frankfurt in gleiche Linie, im Hinblick auf Inkunabeln und Handschriften übernahm es sogar die führende Rolle in Deutschland. Die Wissenschaft verdankt dem Rosenthalschen Antiquariat viele Entdek- kungen alter Werke von unschätzbarem Werte. Erinnert sei an die wertvolle Globuskarte mit der Schiffstour der Magellanschen Weltumsegelung von 1523, den Verrazano Weltglobus von 1530, einen seltenen unbekannten Holzdruck des Endkrist, das Missale speziale, die 47 Blätter umfassende Mantegna Spielkarte des Baccio Bal- dini aus dem 15. Jahrhundert. Ludwig Rosenthal selbst schrieb über Hans Beham's alttestamentliche Holzschnitte, und deren Verwendung zur Bücherillustration 1529—1612. Viele Bibliotheken und Büchersammler verdanken ihm Bereicherung ihrer Schätze. Bekannt sind die Aufträge, die die Firma Ludwig Rosenthal für König Ludwig II. erledigte. Auch Ignaz von Döllinger gehörte zu den ständigen Kunden des Hauses.
Erft im Alter von 82 Jahren hat sich Ludwig Rosenthal endgültig vom Geschäft zurückgezogen. Mit seinem Ausscheiden ist der Antiquar der alten Schule, wie Butsch, Vater & Sohn, I. Heß, der alte Köhler, Weigel und Simon Baer fast gänzlich verschwunden. Wie diese gehörte auch Ludwig Rosenthal zu den Männern, denen das Buch nicht nur Handelsware bedeutete, wie diese näherte er auch sich mehr den Bibliophilen, welche die Bücher wie ihre Kinder lieben und von denen sie sich zumeist nur sehr ungern trennen.
Sein einfacher Sinn, der ihn abhielt, nach Titel und Orden zu streben, die ihm unter König Ludwig II. leicht erreichbar gewesen wären, drückte sich in seiner ganzen Lebensweise aus. In diesem Sinne wurde der Verstorbene auch seinem Wunsche entsprechend in aller Stille bestattet.
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