Wleilungen Ses ZlraMchen Lehrervereins kür Wern
Schriftleitung: Max Adler, München
1929 München, 15. Februar Nr. 2
Vorgeschichte der israelitischen Volksschule 5lttenstad1
Bearbeitet nach den Akten des Staatsarchivs in Neuburg a. D. von H. Rose, Hauptlehrer a. D.
Nach Dr. Heimbergers Werk „Die staatskirchenrechtliche Stellung der Juden in Bayern" wohnten 1803 im eigentlichen Altbayern nur 250 Judenfamilien. Bis 1805 aber war die Zahl der Israeliten auf 30 000 Seelen gestiegen infolge der stattgehabten Einverleibung der schwäbischen und fränkischen Gebietsteile. Die bayeriche Regierung war nun darauf bedacht, ihre vorhandene Anzahl nicht noch weiter ansteigen zu lassen, aber anderseits die israelitischen Untertanen allmählich in den Staatsorganismus einzugliedern, wobei freilich auf noch längere Zeit hinaus manche Beschränkungen staatsbürgerlicher Art aufrecht erhalten wurden. So heißt es in einem Erlaß des damaligen Kurfürsten Max Josef IV. vom 26. Januar 1802, „daß dieser unglücklichen Menschenklasse überhaupt eine solche Einrichtung gegeben werde, durch welche sie allmählich zu nützlichen Staatsbürgern erzogen würden". Um ihr Bildungsniveau zu heben, wurde den Juden 1804 der Zutritt zu den Schulen, selbst zu den höheren Lehranstalten, gestattet. (Miedet, Geschichte der Juden in Memmingen.) Bisher gab es in den israelitischen Gemeinden in der Hauptsache nur Religionsfchulen, in welchen hebräisches Lesen und Schreiben, Übersetzen des Gebetbuches, der biblischen und nachbiblischen Schriften von einem Thorakundigen gelehrt wurden. Letzterer besaß in den meisten Fällen weder eine bessere allgemeine noch eine pädagogisch-methodische Vorbildung. Wohl verzeichnet eine Bevölkerungsstatistik der hiesigen Kultusgemeinde von 1807 einen Schulmeister Marx. Doch wird auch er nur ein bisher üblicher Religionslehrer gewesen sein. Freilich ließen auf privatem Wege die besser situierten jüdischen Familien ihre Kinder, besonders die Söhne, im deutschen Lesen und Schreiben, sowie Rechnen unterrichten.
Von grundlegender Bedeutung für die geistige Bildung der Israeliten war das organische Judenedikt über die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen im Königreich Bayern vom 10. Juni 1813. Darnach sind ihre Kinder zum ordentlichen Schulbesuche verpflichtet und erhalten, die Religionslehre ausgenommen, den gleichen Unterricht wie die christlichen. Auch ist es den Israeliten gestattet, eigene Volksschulen zu errichten, sofern sie ordnungsgemäß vargebildete israelitische Lehrkräfte präsentieren können. Bon da ab ist das Augenmerk der bayerischen Regierung unablässig daraus gerichtet, daß auch in der hiesigen jüdischen Gemeinde „eine eigene deutsche Judenschule errichtet werde". Zählte sie doch damals über 300 Seelen und besaß mehr als 40 schulpflichtige Kinder. Doch dieses Vorhaben konnte sich erst. nach vielen Verhandlungen und Schwierigkeiten 1828 erfüllen durch die Ernennung des ersten pädagogisch vorgebildeten israelitischen Volksschullehrers Fränkl aus Schlipshenn, Landgericht Göggingen, der bis zu seinem 1851 erfolgten Tode hier segensreich wirkte.
Dennoch scheint schon vor 1813 irgend eine aus Volksschulunterricht hinzielende Maßnahme bestanden zu haben, da bei den von diesem Jahre an einsetzenden zeitraubenden Verhandlungen das Distriktsschulinspektoriat Herrenstetten meldet, daß in der jüdischen Gemeinde Altenstadt schon längere Zeit der Lehrer Roher von dorten täglich drei Stunden von 12 bis 3 Uhr nachmittag Unterricht erteile und zwar mit bestem Erfolge. Doch konnte diese Einrichtung der Schulaufsichtsbehörde nicht genügen.
Deshalb schreibt das General-Kommissariat (Regierung) des damaligen Iller- und Donaukreises zu Kempten am 16. Dezember 1813 an das Landgericht Jllertiffen: „Man ist nicht gesonnen, das nur auf einige Zeit gestattete Verhältnis der jüdischen Volksschule in der Art noch länger zu lassen und trägt auf, die Gemeinde in Altenstadt anzuweisen, eine eigene Schule nach den im organischen Edikt über die Judenschule vorgeschriebenen Bedingungen zu gründen oder ihre Kinder in die Christenschule zu schicken. Damit aber die Christenkinder, welche ohnehin schon für ein Lehrer zu viel sind, nicht benachteiligt werden, werde das Lehrpersonal vermehrt und das dafiir erforderliche Schullokal hergestellt". Dr. Stefany.
Infolgedessen wurden Verhandlungen mit der jüdischen Gemeinde eingeleitet, worauf nachfolgendes Schriftstück hinweist. Am 18. Januar 1814 erschienen der Rabbiner Abraham Josef Meyer und der Kultusführer Josef Levy vor dem Patrimonialgericht. Sie erklärten im Namen der Judenschaft, daß diese den einhelligen Beschluß gefaßt hat, die bisher in Altenstädt bestandene Schule dem Schullehrer Johann Nepomuk Schleifer in Jllereichen unter nachstehenden Bedingungen zu überlassen:
1. Daß von demselben den Judenkindern der vorschriftsmäßige Unterricht in der schon bestehenden sehr geräumigen und gesunden Judenfchule in Altenstadt wenigstens täglich drei Stunden von 12 bis 3 Uhr gegeben werde. 2. Dagegen soll er von jedem schulfähigen Kind mit Ende jeder Woche 3 Kreuzer und zwar selbst und folgsam von 43 Kindern 120 fl jährlich zu erheben haben. 3. Mache sich auch die Judenschaft noch verbindlich für die armen Kinder das Schulgeld vom Armenfond zu bezahlen. — Sie hoffen, daß diese ihre Erklärung von dem königlichen Generalkommissariat um so mehr eines gnädigen Beifalls gewürdigt werde, als sie einerseits bei gegenwärtigen Zeitumständen außerstand gesetzt seien, aus ihren Mitteln eine eigene Judenschule zu gründen und anderseits auf diese Weise die Christenschule durch Aufftellung eines geprüften Abständen offenbar gewinne. (Fortsetzung folgt.)
Kaden die luden in vavern ein Keimalrechl?
(Von L. W e i l in Hof)
Anmerkung der Schriftleitung: Die folgende Besprechung unseres gefch. Mitarbeiters wurde uns schon vor längerer Zeit eingesandt. Raummangel verhinderte bis jetzt deren Aufnahme. Um nun ihre Unterbringung in dieser Nummer zu ermöglichen, mußten wir sie etwas kürzen. Die Broschüre ist mittlerweile in zweiter Auflage erschienen. Wir glauben auch, daß sie uns jüdischen Lehrern recht gute Dienste leisten wird und empfehlen daher deren Anschaffung, Durcharbeitung und Verwertung im Unterrichte.
Diese interessante und ausgezeichnete Broschüre, versaßt von Rabbiner Dr. Eckstein (Bamberg), hat in diesen Blättern durch Dr. Baerwald (München) bereits eine eingehende und objektive Würdigung erfahren.
Wenn nun im folgenden nochmals auf sie hingewiesen wird, so geschieht es aus zweifachen Gründen. Es muß vornehme Pflicht der jüdischen Erzieher sein, dafür zu sorgen, daß das Schriftchen womöglich in jedes jüdische Haus gelangt. Schlimmer als die Verhetzung von außen, erscheint mir die Gleichgültigkeit, der Jndiffe- rentismus von innen, in unseren eigenen Reihen.
Viele unserer Glaubensgenossen empfinden den Antisemitismus nicht als das, was er in Wirklichkeit ist, als Kulturschande und Kulturschmach. Man beurteilt die antisemitische Seuche vielfach nur nach der äußeren agressiven Art ihres Auftretens und will nicht merken, daß die große Gefahr hervorgerufen wird, durch das Gift, das den Menschen langsam aber sicher eingeträufelt wird. Aufklärung, vornehme Aufklärung ist deshalb das sicherste Gegenmittel. Aufklärende können aber nur Wissende sein; man kann nur für eine gute Sache eintreten und werben, wenn man sie zuvor als solche erkannt hat. Darum sollte die Ecksteinsche Broschüre in allen jüdischen Familien Bayerns gelesen werden. Unsere Glaubensgenossen müssen selbst einmal an Hand von statistischen und historischen Tatsachen ersehen, daß wir bayerischen Juden ins zweite Jahrtausend hinein auf bayerischem Grund und Boden wohnen, daß die deutschen bzw. bayerischen Juden im Kriege — wie das Büchlein zahlenmäßig nachweist — ihre vollste Pflicht und Schuldigkeit getan haben. Man muß dem Gegner mit statistischem Material aufwarten können, denn Zahlen und nur diese können in dieser Beziehung den gegnerisch Eingestellten, wenn er sich nicht hartnäckig einer Aufklärung verschließt, zu einem gerechten und objektiven Urteil veran-
Dann aber muß die Broschüre vielseitige Verwendung in der