Nachrichtenblatt üer Israelitischen Kultusgemeinöen in München unü Augsburg unü ües Verbanöes Bayerischer Israelitischer Gemeinöen

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Israelitische GemeinÜezettung

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München, I. September üfc.17

Inhalt: Der Kämpfer Moses MendelssohnDie Töchter Moses Men­delssohns Mendelssohn in einer Vorlesung KantsAus Briefen Mendelssohns Aus dem Verbände Aus der Gemeinde München Bücherschau Vereine Amtlicher Anzeiger: Bekanntmachun­gen des Verbandes Bayerischer Gemeinden: Bekanntmachung über Beihilfen für kinderreiche Familien Bekanntmachungen der Israel.

Kultusgemeinde München: Bekanntmachung über Feier des 200. Geburtstages Moses Mendelssohns Bekanntmachung über Glück­wunschablösung 1929 Bekanntmachung über den Filialgottesdienst an den hohen Feiertagen und die Vermietung von Synagogenbet­stühlen Personalia.

Oer Kämpfer Moses Mendelssohn

Zum Gedächtnis an den 200. Geburtstag Moses Mendelssohns. 6. September 1929 Festpredigt anläßlich des 200. Geburtstages Mendelssohns, siehe Bekanntmachung Seite 285 Von Dr.Bertha Badt-Strauß

Denn ich bin ein Jude gewesen Und das heißt: ein Kämpfer sein.

Der großherzoglich-weimarische Staatsminister und Geheime Rat von Goethe hätte sich wohl ein wenig gewundert, wenn er dies sein eigenes Wort, die Ein­laßbitte des Erdensohnes am Paradiesestor, in gewisser Ab­wandlung auf den Lippen Moses Mendelssohns, des Juden aus Dessau, wiedergefunden hätte.

Dennoch hätte sein sonnenhaftes Auge wahrscheinlich gar bald die tiefe Berechtigung dieses Wortes für das scheinbar so friedevolle Leben des jüdischen Philosophen einsehen müssen.

Wer Moses Mendelssohns Da­sein von außen betrachtet, der sieht vielleicht nur ein Bild eines friedlichen, fast ereignislosen, erfolg- und ruhmreichen Lebens:

Der arme verwachsene Junge, der im Jahre 1743 am Oranien­burger Tor in Berlin sieht und den jüdischen Torschreiber furcht­sam um Einlaß in Berlin bittet, wird zum Freunde Lesiings, zum deutschen Sokrates", kurz, zu dem Manne, von dem bei seinem Tode die BerlinerZeitungenschrei- ben:Er war der Stolz und die Zierde unserer Stadt... Nie­mand hat ihn gekannt, der ihn nicht geliebt und geehrt hätte..."

Wer aber tiefer hineinsieht in dieses nur scheinbar so ruhevolle Leben, wer dies Leben von innen ansieht, der erblickt den Kampf

eines Juden. Und man kann wohl sagen: nur der gelangt zur eigentlichen Erkenntnis dieses weltgeschichtlichen Ereignisses, das uns das Dasein Moses Mendelssohns noch heute und gerade heute bedeutet, der das Neben­einander von Frieden und Kampf, von Tragödie und Idylle in sich ausgenommen hat. Denn alle Kämpfe im Leben dieses Mannes haben im letzten Sinne ein ein­ziges Ziel: sie gelten dem Juden­tum.

Ich suche den Frieden, doch was ich auch spreche sie aber, sie wollen den Krieg." Kaum je­mals konnte ein Mensch dies Wort der Psalmen mit größerer Berechtigung auf sich anwenden als Moses, der Sohn des Thora­schreibers in Dessau. Daß erin keiner Beziehung zum Athleten" geboren sei, das hat er selbst ein­mal gesagt. Und in der Tat: es weht in den Äußerungen des Menschen Moses Mendelssohn eine Luft von heiterer, fast küh­ler Überlegenheit über mensch­liche Fährnisse; unerschütterliches Zutrauen lebt hier zum Siege der Vernunft, unverbrüchlicher Glauben an die endliche Glück­seligkeit und Vervollkommnung des Menschen in dieser besten der Welten, wie sein philosophischer Lehrer Leibniz sie nannte. Hier atmet die morgenfrische Luft der Aufklärung, wie sie kühl und herb auf den Bergen wehte, wo