Nr. 2
Mitteilungen des Jüdischen Lehrervereins für Bayern
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Situation müssen — neben vielen anderen — auch folgende Gründe berücksichtigt werden.
Auch das wichtigste Aufklärungsmaterial kann immer nur an einen Teil der Bevölkerung herangebracht werden und wandert teilweise ungelesen in den Papierkorb; öffentliche Versammlungen, oft vom Gegner in unsachlicher Weise gestört, bringen nicht immer den gewünschten vollen Erfolg, sind und bleiben gleichwohl ein wertvoller und unschätzbarer Faktor der Aufklärungsarbeit.
Man hat deshalb erkannt, daß erfolgreiche und zielsichere Tätigkeit und Arbeit nicht von einzelnen Personen und Organisationen allein geleistet werden kann, daß hierzu vielmehr die kleine Masse unserer Glaubensgenossen, d. h. möglichst jeder Einzelne notwendig ist. Wenn tunlich jeder Einzelne unter uns in seinem nichtjüdischen Bekannten- und Umkreis in privaten Gesprächen — wobei nicht wie bei öffentlichen Versammlungen durch Parteileidenschaft die ruhige und klare Erkenntnis getrübt wird — für Aufklärung sorgen kann, dann wird es möglich werden, erschöpfende Aufklärung und Erkenntnis in den Massen verbreiten zu können. Die Möglichkeit der fachlichen Aufklärung von Mensch zu Mensch bleibt immer noch die wirksamste.
Nun ist eine Erscheinungs- und Erfahrungstatsache, daß ein großer Teil unserer Juden diese Aufklärungs- und Pionierarbeit nicht leisten kann, weil derselbe das Judentum und seine Einrichtungen, nicht kennt. Mancher Gegner hält seine Argumentationen deshalb für richtig, weil der Verteidiger nicht mit richtigem, überzeugendem und reichem Beweismaterial aufwarten kann.
' Fortsetzung folgt
Vereinsmitteilungen
In den letzten Jahren mußte leider fast jede Vereinsmitteilung mit einer Trauerkundgebung eingeleitet werden. Der Tod hält furchtbare Ernte bei uns! Auch heute ist es unsere schmerzliche Pflicht, vom Ableben zweier lieber Kollegen, des Oberkantors Theodor Fränkel ny von Nürnberg, und des früheren Lehrers und Kultusbeamten Isaak Kurzmann von Schweinfurt, der im gesegneten Alter von 83 Jahren von uns ging, Mitteilung zu machen. Beide waren liebe, treue, stets hilfsbereite Mitarbeiter, die wir stets vermissen und deren wir nie vergessen werden.
Am 28. Dezember fand eine Sitzung der Verwaltung in Nürnberg statt. Der Hauptgegenstand der sehr umfangreichen Tagesordnung war die Aussprache über die gehaltspolitische Lage, über deren Beurteilung vollkommene Einmütigkeit herrschte. Die Vereinsleitung wird im Interesse verschiedener nicht voll eingruppierter Religionslehrer und besonders geschädigter Volksschullehrer Schritte unternehmen. In der Frage des Sterbefallschutzes wurde folgender Antrag einstimmig angenommen: Vom Jahresbeitrag der aktiven bayerischen Mitglieder von 30 RM. werden 10 RM. für den Sterbefallschutz abgezweigt, so daß also der Beitrag für Vereinszwecke nur 20 RM. beträgt.
Für alle übrigen Mitglieder ist der Beitritt zum Sterbefallschutz ein freiwilliger. Der Jahresbeitrag hierfür beträgt 10 RM.
Der Vereinsbeitrag wird in allen Fällen entsprechend ermäßigt.
Dieser Verwaltungsantrag wird der am 30. und 31. August d. I. in Ansbach stattfindenden Mitgliederversammlung zur Beratung und Beschlußfassung unterbreitet werden.
Mitgliedsbeitrag. Unser Kassier beklagt sick, mit Recht darüber, daß noch einige Mitglieder mit dem Beitrag für 1930 im Rückstände sind. An diese ergeht unsere dringende Mahnung, unverzüglich den Beitrag einzusenden.
Der Beitrag für 1931, um dessen rechtzeitige Einzahlung wir bitten, beträgt:
a) für aktive bayerische Mitglieder.30 RM.
™ r ’ - 15 RM.
20 RM. 10 RM. 20 RM. 10 RM.
d) für bayerische Pensionisten
e) für aktive Mitglieder außerhalb Bayerns .
d) für Pensionisten außerhalb Bayerns .
e) für aktive außerordentliche Mitglieder . . k) für pensionierte außerordentliche Mitglieder Wie alljährlich machen wir unsere Mitglieder auf den Vertrag
mit der Firma Kauffmann & Co. in Frankfurt a. M. aufmerksam und bitten die Kollegen, im Bedarfsfälle sich an unsere Vertragsfirma zu wenden und damit zur Förderung unserer sozialen Einrichtungen beizutragen.
München, den 1. Januar 1931.
Mit kollegialen Grüßen
M. Rosenfeld. M. Adler.
Vezirkskonferenz Fürth: Die nächste Konferenz findet am 8. Februar statt. ' Blumenthal.
Einzahlungen im Dezember 1930:
Von Schuster, Ellingen 15 RM.; 2r. Hammelburger, Würzburg 30; Heß, Miltenberg 10; Erlebacher, Mönchsroch 15; Sonn, Fulda 20; Heimann, Augsburg 15; Strauß, Eichstätt 15; Anfänger, Heßdorf 15; Manes, Nürnberg 15; Michel, Pirmasens 15; Berendt, Veitshöchheim 15; Laßmann, Rimpar 20; Katz, Nürnberg 15; Unna, Nürnberg 30; Gutmann, Ottensoos 15; Blatt, Würzburg 2; Adler, Nürnberg 30; Berlinger, München 15; Eisfeld, München 15; Glaser, H., München 10; Glaser, S., München 15; Kissinger, Fürth 15; Löbenstern, Würzburg 25; Lamm, Pirmasens 40; Kissinger F., München 15.
Scheckkonto: Nürnberg 6479.
Würzburg, 1. Januar 1931.
M. Hellmann.
vücherschau
Sigmund Fraenkel, Aufiätze und Reden. (Verlag B. Heller, München.)
Sigmund Fraenkel, der vor 5 Jahren verstorbene Führer der Münchener Orthodoxie, war eine der markantesten Erscheinungen der bayerischen Judenheit, der nicht nur in Wort und Schrift sich für die Interessen des traditionellen Judentums einsetzte, sondern auch von hoher geistiger Warte aus Stellung zu allen Fragen der deutschen Judenheit nahm und darüber hinaus mit Wärme und Hingebung sich der Förderung des deutschen Wirtschafts- und Kulturleben widmete. In unser aller Erinnerung ist es noch, wie er unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit sich für die Revision des bayerischen Judenedikts von 1813 einsetzte, tapfer und treu von der jüdischen Lehrerschaft Bayerns unterstützt, und wie er bemüht war, der Gründung des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden den Weg zu ebnen.
Cs ist mit besonderem Danke zu begrüßen, daß Professor Adolf Fraenkel einen Auszug aus den Aufsätzen und Reden seines Vaters, als „Spiegelbild deutsch-jüdischer Geschichte aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts" der Öffentlichkeit übergibt. In einem Vorwort bezeichnet der Verfasser seinen Vater als den „Typus eines Mannes, der einerseits im deutschen Kultur- und Wirtschaftsleben tief verwurzelt ist und für dessen Förderung und Befruchtung viele seiner besten Kräfte einfetzt, der andererseits aus Gefühlstiefen wie im bewußten Wollen sich dem traditionellen Judentum ganz und gar verknüpft weiß, sich für die inneren wie die äußeren Aufgaben der deutschen Judenheit hingebungsvoll mit Rat und Tat einsetzte." Dies beweist auch der vor uns liegende Auszug seiner Aufsätze und Reden. Im 1. Teil des stattlichen Buches werden Fragen der Wirtschaft, der Steuer und des Verkehrs behandelt. Die übrigen Teile des Buches nehmen Stellung zur innerjüdischen Politik (Gemeindepolitik), zu der Betätigung des jüdischen Menschen nach außen und behandeln im 4. Teil homiletische und wissenschaftliche Fragen (Selichoth; Die ägypttschen Hungerjahre, Labans Scheidegruß usw.). Es würde über den Rahmen einer kurzen Buchbesprechung weit hinausgehen, wenn hier zu einzelnen Fragen Stellung genommen würde. Mag man einzelnen Fragen eine andere Lösung wünschen — das Buch hat mehr als historische Bedeutung. Es ist ein wertvolles Hilfsmittel im jüdisch-politischen Kampfe. Besonders den jüdischen Lehrern kann dieses Buch wärmstens empfohlen werden. A.
Höxker. Quellenbuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. I. Teil.
Altertum und frühes Mittelalter. Kauffmann, Frankfurt a. M.
1930.
Der vorliegende Band bildet den Schlußstein des Höxterschen Quellenwerkes und reiht sich den bereits erschienenen 4 Bänden würdig an. Auch hier hat der Herausgeber mit feinem Verständnis und sicherer Hand aus der Fülle des Stoffes gerade die Stücke herausgefunden, die uns in anschaulichster Weise ein lebendiges, getreues Spiegelbild der Zeit geben. (Z. B. Aus den Elefantine- Papyri, Flavius Josephus, Midraschim, Piutim usw.) Hier wird ferne Vergangenheit zur greifbaren Wirkichkeit. Mit Höxters Quellenbüchern ist der jüdische Geschichtsunterricht eine wahre Lust für Lehrer und Schüler geworden. Dr. S. K.)
Für den Inhalt der „Mitteilungen" verantwortlich: Max Adler, München.