72

Bayerische Israelitische Gemeindezeitung

Nr. 5

werden muß, wird reichlich ausgewogen durch ein Mehr an Leben­digkeit, Eindringlichkeit und Übersichtlichkeit.

Die grundlegenden Aussätze über das Gesetz von CarlebaH- Altona, Goldmann-Leipzig, M. I. C o o o - Saloniki variie­ren das Thema von der Einheit seelischer und körperlicher Hy­giene und von der Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips als sol­chem. Unter den zahlreichen Beiträgen über Sozial- und Sexual­hygiene möchte ich den ob seiner prägnanten Kürze, Klarheit und Offenheit sympathischen Aufsatz von G. Löffler (Frankfurt a. M.):Von jüdischer Sexualhygiene" hervorheben, und einen Beitrag von Eschelbach er, der die Bedeutung der Religion für die seelische Hygiene anschaulich hervortreten läßt:Das Mor­gengebet und die geistige Gesundheit". Von der jahrtausendalten hygienischen Weisheit der Bibel und des Talmud berichten unter anderem Bamberger (Schönlanke), Grunwald, Wolfs- b e r g. Sehr aufschlußreich sind die Urkunden aus alten Archiven denen Dr. Jacob Jacobsohn Sprache gibt, zu Herzen gehend sind die Darlegungen zur jüdischen Bevölkerungspolitik, von der kata­

strophalen Rationalisierung des Geschlechtslebens und der hohen Selbstmordziffer bei den deutschen Juden, die Teilhaber und Hanauer geben. Wohl habendie deutschen Juden die hy­gienische Forderung einer geringen Säuglings- und Kindersterb­lichkeit gelöst", aber diesen Fortschritt durch einenscharfen Rück­gang der Fruchtbarkeit" erkauft. Gibt es noch eine Rettung von diesem Rasseselbstmord, Von dem Willen der Juden selbst hängt es ab. Mit einer Darstellung der praktischen Hygienearbeit in Deutschland und im Osten und bezeichnenderweise für den Tenor des Buches mit einem herzerfrischenden Ausblick aus Palästina, den sanitären Institutionen, dem Gesundheitszustand der Juden und den Heilquellen des Landes, schließt das ausge­zeichnete Buch, dem wir weiteste Verbreitung wünschen. Sollen wir noch erwähnen, daß die nichterwähnten Beiträge nicht weniger bedeutsam und instinktiv sind? Hoffen wir, daß trotz der schweren Wirtschaftslage, das schöne Werk den Weg in viele jüdische Häu­ser finden möge.

Rabbiner Dr. H. Levy (Regensburg).

Aus der Gemeinde (Düncben

Lehrkurse der Israelitischen Kultusgemeinde München Programm März 1931

Oberregierungsrat Dr. Lichkenstädker (München): Naturschutz und Judentum". Mittwoch, den 4. März, 20.15 Uhr, Bibliotheksaal, Herzog-Max-Straße. Eintritt 50 Pf.

Studienrat A. Schaalmann,Kalender und Kalenderreform". 11. März, 18. März, 25. März, 20.15 Uhr im Bibliotheksaal, Herzog- Max-Straße 7/1. Eintritt 1 RM.

Rabbiner Dr. L. Vaerwald setzt die Arbeitsgemeinschaft über die Psalmen fort; auch Neueintretende können daran teilnehmen. Vor­ausgesetzt werden einige Kenntnisse im Hebräischen. Mittwoch, 4. März, 11. März, 25. März, 21.1522.00 Uhr. Bibliotheksaal.

Das jüdische Sprichwort

Die drei Vorträge, die Herr Dr. Percikowitsch im Rahmen der Lehrkurse über das Mische Sprichwort gehalten hat, hätten einen weit zahlreicheren Besuch verdient. Der Vortragende beschränkte sich nämlich nicht auf das verhältnismäßig enge Gebiet, das das Sprich­wort in der jüdischen Literatur darstellt, sondern unternahm in Wahrheit einen Gang durch die gesamte jüdische Geistesgeschichte. Wenn eben das Gebiet des jüdischen Sprichworts als eng bezeich­net wurde, fo ist dies keinesfalls abolut zu verstehen. Im Gegen­teil: zieht man in Betracht, welchen Raum innerhalb einer Litera­tur eine Gattung wie das Sprichwort naturgemäß überhaupt nur einnehmen kann, dann erscheint die jüdische Literatur in dieser Hin­sicht als besonders reich. Als Grund dafür spielt sicher auch die hi­storische Taffache mit, daß das jüdische Volk zu allen Zeiten in im­mer neue Beziehung zu anderen Kulturvölkern getreten ist und ge­rade an so leicht wandernden Kulturgütern, wie es Sprichwörter als wirklicher Volksbesitz sind, viel übernommen hat. Doch lassen sich derartige Parallelen nur für einen Teil der Meschalim (Mascha! heür. Sprichwort, Redensart) Nachweisen, so daß die Feststel- lung einer besonderen Fruchtbarkeit und Originalität der Juden auch hier bestimmt gilt. Die Entstehungsweise der Sprichwörter, ihre Verbreitung bei verschiedenen Völkern und ihre spezifisch jü­dischen Eigenschaften bildeten das einleitende Thema des ersten Vortrags. Daran schloß sich eine Behandlung der nichtjüdischen, altorientalischen Schriftwerke, die die biblische Chochmaliteratur beeinflußt haben oder von ihr beeinlutzt worden sind. Mit dem Namen Chochma bezeichnet man die Teile der Bibel, die volks­tümliche Anschauungen und Lebensregeln in Form von Sprichwör­tern wiedergeben und aus denen viele Meschalim in den Volks­

mund übergegangen sind. Cs handelt sich hierbei vor allem um die Bücher Mischle, Koheleth, Hiob, Ben Sira und Chochmath Schlomo. Die beiden letzten von diesen sind zwar nicht in den biblischen Ka­non ausgenommen, gehören aber der biblischen Epoche an, mit der sich Herr Dr. Percikowitsch an dem zweiten'Abend des Zyklus be­schäftigte. Der dritte Vortrag war besonders inhaltsreich; denn er war der ganzen übrigen jüdischen Literatur gewidmet, dem Talmud,, der Dichtung des Mittelalters und dem Schaffen der Neuzeit in he­bräischer und jiddischer Sprache. Für jede Epoche gab der Redner nicht nur eine Betrachtung ihrer Sprichwörter, sondern ging immer ausführlich auf die Entstehung und den Gesamtinhalt der Werke, die zu Quellen für Sprichwörter geworden sind, ein. Diese Art, 'ede Entwicklungsstufe der Meschalim zum Anlaß für die Dar­stellung des sie enthaltenen, großen literarischen Rahmens zu neh­men, machte den besonderen Wert und Reichtum dieser Vorträge aus.

Für Hörer mit einigen hebräischen Kenntnissen schloß sich an je­den Vortrag eine Arbeitsgemeinschaft an, in der eine Reihe von Sprichwörtern, nach bestimmten Lebensgebieten geordnet, vorge­führt wurde. Anschauungen über Ehe, Familie, Recht usw. wurden durch Sprichwörter belegt, die oft durch ihren Humor und ihre Treffsicherheit Heiserkeit erregten und eine vollkommene Ergänzung und Veranschaulichung der Vorträge bildeten.

Sabbatfreier Millelfchulunkerrichl für jüdische Mädchen in München

Für Schülerinnen, welche ein Lyzeum oder eine höhere Mädchenschule besuchen wollen und Wert darauf legen, am Sabatt von dem Besuch des Unterrichts befreit zu sein, ist hierzu im Institut Roscher, Karl­straße 45, Gelegenheit geboten, ohne daß sie dadurch in ihrer Aus­bildung wesentlich Zurückbleiben. Das Institut Roscher wird, wie im Vorjahr, in allen Klassen, in denen jüdische Mädchen an diesen Ta­gen dem Unterricht fern zu bleiben wünschen, den Stundenplan so gestalten, daß an Samstagen nur Unterricht in technischen Fächern (Handarbeiten, Turnen, Singen) und in Religion erteilt wird. Den 'irdischen Schülerinnen ist Gelegenheit geboten diesen Unterricht an Werktagen in anderen Klassen nachzuholen.

Hebräische Sprachkurse München

In sämtlichen bestehenden Kursen werden neue Schüler ausge­nommen. Geschlossene Gruppen von mindestens 6 Personen haben die Möglichkeit, separat Unterricht zu erhalten. Auskunft wird im Unterrichtslokal, Herzog-Rudolf-Strahe 1, Telephon 2 97 4 49. erteilt. Sprechstunde des Herrn Dr. Percikowiffch: Mittwoch 3.304.30 Uhr.

Der Stundenplan. Montag, 7.158.15 Uhr, Kurs II; 8.30 bis 10 Uhr, Efra Kurs. Dienstag, 4.305.30, Kinderkurs I;

Verkaufsstellen J

Hiltensbergerstraße 8 Fernsprecher 3 70 6 46 Glückstraße 10 Fernsprecher 2 96 9 44

Thierschstraße 19 Fernsprecher 22 0.82

Schleißheimer Straße 100 Winzererstraße 92 Belgradstraße 28

Für Säuglinge und Kinder

nur Boschhof*Vorzugsmilch

Hauslieferung durch Boschhof-Verkaufszentrale Schleißheimer Straße 100 / Tel. 370326