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Bayerische Israelitische Gemeindezeitung
Nr. 5
werden muß, wird reichlich ausgewogen durch ein Mehr an Lebendigkeit, Eindringlichkeit und Übersichtlichkeit.
Die grundlegenden Aussätze über das Gesetz von CarlebaH- Altona, Goldmann-Leipzig, M. I. C o o o - Saloniki variieren das Thema von der Einheit seelischer und körperlicher Hygiene und von der Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips als solchem. Unter den zahlreichen Beiträgen über Sozial- und Sexualhygiene möchte ich den ob seiner prägnanten Kürze, Klarheit und Offenheit sympathischen Aufsatz von G. Löffler (Frankfurt a. M.): „Von jüdischer Sexualhygiene" hervorheben, und einen Beitrag von Eschelbach er, der die Bedeutung der Religion für die seelische Hygiene anschaulich hervortreten läßt: „Das Morgengebet und die geistige Gesundheit". Von der jahrtausendalten hygienischen Weisheit der Bibel und des Talmud berichten unter anderem Bamberger (Schönlanke), Grunwald, Wolfs- b e r g. Sehr aufschlußreich sind die Urkunden aus alten Archiven denen Dr. Jacob Jacobsohn Sprache gibt, zu Herzen gehend sind die Darlegungen zur jüdischen Bevölkerungspolitik, von der kata
strophalen Rationalisierung des Geschlechtslebens und der hohen Selbstmordziffer bei den deutschen Juden, die Teilhaber und Hanauer geben. Wohl haben „die deutschen Juden die hygienische Forderung einer geringen Säuglings- und Kindersterblichkeit gelöst", aber diesen Fortschritt durch einen „scharfen Rückgang der Fruchtbarkeit" erkauft. Gibt es noch eine Rettung von diesem Rasseselbstmord, — Von dem Willen der Juden selbst hängt es ab. Mit einer Darstellung der praktischen Hygienearbeit in Deutschland und im Osten und — bezeichnenderweise für den Tenor des Buches — mit einem herzerfrischenden Ausblick aus Palästina, den sanitären Institutionen, dem Gesundheitszustand der Juden und den Heilquellen des Landes, schließt das ausgezeichnete Buch, dem wir weiteste Verbreitung wünschen. Sollen wir noch erwähnen, daß die nichterwähnten Beiträge nicht weniger bedeutsam und instinktiv sind? Hoffen wir, daß trotz der schweren Wirtschaftslage, das schöne Werk den Weg in viele jüdische Häuser finden möge.
Rabbiner Dr. H. Levy (Regensburg).
Aus der Gemeinde (Düncben
Lehrkurse der Israelitischen Kultusgemeinde München Programm März 1931
Oberregierungsrat Dr. Lichkenstädker (München): Naturschutz und Judentum". Mittwoch, den 4. März, 20.15 Uhr, Bibliotheksaal, Herzog-Max-Straße. — Eintritt 50 Pf.
Studienrat A. Schaalmann, „Kalender und Kalenderreform". 11. März, 18. März, 25. März, 20.15 Uhr im Bibliotheksaal, Herzog- Max-Straße 7/1. Eintritt 1 RM.
Rabbiner Dr. L. Vaerwald setzt die Arbeitsgemeinschaft über die Psalmen fort; auch Neueintretende können daran teilnehmen. Vorausgesetzt werden einige Kenntnisse im Hebräischen. Mittwoch, 4. März, 11. März, 25. März, 21.15—22.00 Uhr. Bibliotheksaal.
Das jüdische Sprichwort
Die drei Vorträge, die Herr Dr. Percikowitsch im Rahmen der Lehrkurse über das Mische Sprichwort gehalten hat, hätten einen weit zahlreicheren Besuch verdient. Der Vortragende beschränkte sich nämlich nicht auf das verhältnismäßig enge Gebiet, das das Sprichwort in der jüdischen Literatur darstellt, sondern unternahm in Wahrheit einen Gang durch die gesamte jüdische Geistesgeschichte. Wenn eben das Gebiet des jüdischen Sprichworts als eng bezeichnet wurde, fo ist dies keinesfalls abolut zu verstehen. Im Gegenteil: zieht man in Betracht, welchen Raum innerhalb einer Literatur eine Gattung wie das Sprichwort naturgemäß überhaupt nur einnehmen kann, dann erscheint die jüdische Literatur in dieser Hinsicht als besonders reich. Als Grund dafür spielt sicher auch die historische Taffache mit, daß das jüdische Volk zu allen Zeiten in immer neue Beziehung zu anderen Kulturvölkern getreten ist und gerade an so leicht wandernden Kulturgütern, wie es Sprichwörter als wirklicher Volksbesitz sind, viel übernommen hat. Doch lassen sich derartige Parallelen nur für einen Teil der Meschalim (Mascha! heür. — Sprichwort, Redensart) Nachweisen, so daß die Feststel- lung einer besonderen Fruchtbarkeit und Originalität der Juden auch hier bestimmt gilt. Die Entstehungsweise der Sprichwörter, ihre Verbreitung bei verschiedenen Völkern und ihre spezifisch jüdischen Eigenschaften bildeten das einleitende Thema des ersten Vortrags. Daran schloß sich eine Behandlung der nichtjüdischen, altorientalischen Schriftwerke, die die biblische Chochmaliteratur beeinflußt haben oder von ihr beeinlutzt worden sind. Mit dem Namen Chochma bezeichnet man die Teile der Bibel, die volkstümliche Anschauungen und Lebensregeln in Form von Sprichwörtern wiedergeben und aus denen viele Meschalim in den Volks
mund übergegangen sind. Cs handelt sich hierbei vor allem um die Bücher Mischle, Koheleth, Hiob, Ben Sira und Chochmath Schlomo. Die beiden letzten von diesen sind zwar nicht in den biblischen Kanon ausgenommen, gehören aber der biblischen Epoche an, mit der sich Herr Dr. Percikowitsch an dem zweiten'Abend des Zyklus beschäftigte. Der dritte Vortrag war besonders inhaltsreich; denn er war der ganzen übrigen jüdischen Literatur gewidmet, dem Talmud,, der Dichtung des Mittelalters und dem Schaffen der Neuzeit in hebräischer und jiddischer Sprache. Für jede Epoche gab der Redner nicht nur eine Betrachtung ihrer Sprichwörter, sondern ging immer ausführlich auf die Entstehung und den Gesamtinhalt der Werke, die zu Quellen für Sprichwörter geworden sind, ein. Diese Art, 'ede Entwicklungsstufe der Meschalim zum Anlaß für die Darstellung des sie enthaltenen, großen literarischen Rahmens zu nehmen, machte den besonderen Wert und Reichtum dieser Vorträge aus.
Für Hörer mit einigen hebräischen Kenntnissen schloß sich an jeden Vortrag eine Arbeitsgemeinschaft an, in der eine Reihe von Sprichwörtern, nach bestimmten Lebensgebieten geordnet, vorgeführt wurde. Anschauungen über Ehe, Familie, Recht usw. wurden durch Sprichwörter belegt, die oft durch ihren Humor und ihre Treffsicherheit Heiserkeit erregten und eine vollkommene Ergänzung und Veranschaulichung der Vorträge bildeten.
Sabbatfreier Millelfchulunkerrichl für jüdische Mädchen in München
Für Schülerinnen, welche ein Lyzeum oder eine höhere Mädchenschule besuchen wollen und Wert darauf legen, am Sabatt von dem Besuch des Unterrichts befreit zu sein, ist hierzu im Institut Roscher, Karlstraße 45, Gelegenheit geboten, ohne daß sie dadurch in ihrer Ausbildung wesentlich Zurückbleiben. Das Institut Roscher wird, wie im Vorjahr, in allen Klassen, in denen jüdische Mädchen an diesen Tagen dem Unterricht fern zu bleiben wünschen, den Stundenplan so gestalten, daß an Samstagen nur Unterricht in technischen Fächern (Handarbeiten, Turnen, Singen) und in Religion erteilt wird. Den 'irdischen Schülerinnen ist Gelegenheit geboten diesen Unterricht an Werktagen in anderen Klassen nachzuholen.
Hebräische Sprachkurse München
In sämtlichen bestehenden Kursen werden neue Schüler ausgenommen. Geschlossene Gruppen von mindestens 6 Personen haben die Möglichkeit, separat Unterricht zu erhalten. Auskunft wird im Unterrichtslokal, Herzog-Rudolf-Strahe 1, Telephon 2 97 4 49. erteilt. Sprechstunde des Herrn Dr. Percikowiffch: Mittwoch 3.30—4.30 Uhr.
Der Stundenplan. Montag, 7.15—8.15 Uhr, Kurs II; 8.30 bis 10 Uhr, Efra Kurs. Dienstag, 4.30—5.30, Kinderkurs I;
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Für Säuglinge und Kinder
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