Mitteilungen des Wischen Menmeins für Hapern

Schriftleitung: Max Adler, München

1931 München, 15. Oktober Nr.10

Unsere Antwort an kerrn vezirksrabbiner vr. vreuer in ttschaffendurg

Ist die Frankfurter Jeschiwah eine Lehrerbildungsanstalt?"

Der Artikel des Herrn Dr. Breuer in Aschaffenburg in Nr. 36 des Israelit" hat schon wiederholt die jüdische Presse beschäftigt. Kollege Steinhardt hat dazu in denBlättern für Erziehung und Unterricht" Stellung genommen. Kollege Hirnheimer hat die Frage der Allgemein­bildung des Religionslehrers in der Nr. 19 der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom I. Oktober d. 2s. behandelt. Wenn wir heute noch einmal uns mit dieser Angelegenheit beschäftigen, so nur des­halb, um der jüdischen Öffentlichkeit zu zeigen, welcher Dienst den Ge­meinden und auch den aus der Frankfurter Jeschiwah entlassenen Ba- churim erwiesen wird, wenn diese Anstalt sich der erstaunten Mitwelt alsLehrerbildungsanstalt" präsentieren will.

Ohne uns in lange theoretische Erörterungen einzulassen, sind wir in der Lage, folgende Tatsachen festzustellen, welche dieLehrerbildung" der Frankfurter Jeschiwah genügend charakterisieren.

1. Bei den jüngsten Vakanzen, die in bayerischen Vcrbandsgcmeindcn ausgeschrieben waren, lagen regelmäßig 20 Bewerbungen von Bachu- rim der Frankfurter Jeschiwah vor. Daß diese Bewerbungen in den Ver­bandsgemeinden von Bayern, Württemberg, Baden und auch jenen Gemeinden Preußens, deren Stellen genügend dotiert sind, nicht berück­sichtigt werden, ist eine Tatsache, die sich in den süddeutschen Ländern entgegen der juristischen Auffassung des Herrn Dr. Breuer^ erklärt aus den bestehenden staats- und verbandsbehördlichen Vorschriften. Abgesehen von wenigen Rabbinern, denen der Kontakt mit dein Leben der Gegenwart fehlt, interessieren sich nur solche Gemeinden für Absol­venten der Ieschiwahs, diebillige" Kräfte wollen. Daß also für die Absolventen derFrankfurter Lehrerbildungsanstalt" nur die leistungs­unfähigen Gemeinden in gewissen Gegenden Deutschlands offen stehen, kann trotz der Ausführungen des Herrn Dr. Breuer nicht aus der Welt geschasst werden. Daß diese sogenannten Lehrer wirtschaftlich einer trüben Zukunft cntgegengehen, dafür mögen sie sich bei ihrer Ausbildungstätte bedanken. Da das gleiche Recht wie die Dr. Breuer nahestehende Ie- schiwah auch andere für sich bereits in Anspruch nehmen, werden wir in einigen Jahren eine Unzahl solcher Leute haben, deren Illusion, eine Stelle erlangen zu können, rasch vergehen wird, nachdenr genügend nor­mal vorgebildete Bewerber vorhanden sind. Wer hat dann die Ver­antwortung ?

2. In einen: Punkte kötnrcn wir Herrn Dr. Breuer recht geben, wenn er schreibt, daß die Ieschiwahs die Lehrerbildung nicht mit Bildungs­stoffen überlasten. Auch hier sind wir imstande, der Frankfurter Jeschiwah die Methode ihrer abgekürzten Ausbildung zu belegen: Ein Schüler, der die Aufnahmeprüfung in die unterste Klasse der bayerischen Prä- parandie nicht bestanden hat und wegen Unfähigkeit abgewiesen werden «rußte, besuchte dieFrankfurter Lehrerbildungsanstalt". Zu einer Zeit, in der er, wenn er die Aufnahmeprüfung in Bayern bestanden hätte, günstigstenfalls in das Seminar hätte eintreten können, ist er bereits an der Frankfurter Jeschiwah fertig. Cs ist eine Tatsache, daß sich alljähr­lich eine große Zahl von Besuchern der Jeschiwah bei der bayerischen Lehrerbildungsanstalt um Aufnahme in eine entsprechende Klasse oder unr Zulassung zu einer seminarischcn Religionslchrerprüfung melden. Besucher der Frankfurter Jeschiwah, die tatsächlich eine gediegene Profan­bildung mitbringen, etwa das Zeugnis für Obersckunda oder Unterprirna mit wirklich guten Noten, haben die Gelegenheit und machen auch da­von Gebrauch, die Lehrerbildungsanstalt zu durchlaufen. So kommt cs, daß häufig unter denen, die für Frankfurt verbleiben, sich solche befinden,

1 Herr Dr. Breuer irrt, wenn er unter Berufung auf das Buch von Stiefelzieher ausführt, daßcs ausschließlich den jüdischen Geureinden überlassen ist, diejenigen Lehrer anzustellen, die sie für die geeignetsten halten". In Bayern z. B. besitzt die Verordnung vom 28. Januar 1828 noch Rechtskraft, wonach bei Anstellung eines Rcligionslehrers die Ge­nehmigung der Regierung cingeholt werden muß. Näheres kann Herr Dr. Breuer bei OsthelderDas bayerische Schulbedarfgcsetz vom 14. August 1919 nebst den sonstigen schulrcchtlichcn Bestimmungen" nach-

Cbenso unhaltbar ist die weitere Meinung des Herrn Dr. Breuer, daß niclnand" der Frankfurter Jeschiwahdas Recht bestreiten könnte, sich ausschließlich oder nebenher mit dem Titel eines Rabbiner- oder Lehrer­seminars zu schmücken".

die unfähig sind, den Forderungen der normalen Lehrerbildung zu ge­nügen. Wenn die Jeschiwah die gleiche Befähigung und die gleiche Aus­bildungszeit wie die Lehrerbildungsanstalt verlangen würde, würde sie keine Schüler für ihreLehrerbildung" finden.

3. Die Lehrerbildungsanstalt Würzburg hat in der Vergangenheit und auch in der letzten Gegenwart Lehrer entlassen, die in ihrem jüdi­schen Wissen hinter keinem Ieschiwahjünger zurückstehen. Sie ist dauernd bestrebt, auch den höchsten Anforderungen in diesem Punkte gerecht zu werden. Die Kandidaten der bayerischen Lehrerbildungsanstalt haben Gelegenheit, nach- öjährigem Bildungsgang und erfolgreicher Reife­prüfung in einem an das Würzburger Seminar angegliederten Ieschiwah- kurs ihre Thorakenntnisse zu vertiefen und zu erweitern. Daß der Besuch des Ieschiwahkurses noch nicht für alle Absolventen bisher zur Regel wurde, daran tragen die Schuld der bisherige Lehrermangel und die Gemeinden selbst, welche auf das Zeugnis der erfolgreichen Absolvierung des Ieschiwahkurses eben keinen Wert legen. Diese Mindereinschätzung der gründlichen jüdischen Ausbildung findet sich aber nicht etwa nur bei denbösen" Verbandsgemeinden, bei denen es Herr Dr. Breuer wohl für selbstverständlich hält. Ein Vorkommnis aus allerjüngster Zeit mag hier angeführt sein: Eine, auf dem Austrittsstandpunkt stehende, ortho- dorc Religionsgesellschaft einer deutschen Großstadt hat vor etwa einem Jahre einen Beamten gesucht, der gleichzeitig als Religionslehrer und Chasen fungieren sollte. In die engere Wahl kamen 2 Absolventen der Würzburger Lehrerbildungsanstalt: der eine, der mehrere Jahre hindurch die von Herrn Dr. Breuer propagierte Frankfurter Jeschiwah mit glän­zendem Zeugnis absolviert und erst dann in Zjährigem Besuch des Würzburger Seminars sich das Reifezeugnis wiederum mit glänzendem Erfolg geholt hatte; der betreffende Kandidat war zugleich als Chasen gut brauchbar. Der andere Kandidat hatte keine Ieschiwahvorbildung, eine weit geringere Qualifikation auch in den allgemeinen Fächern und wurde trotzdem gewählt, weil er über die bessere Stimme verfügte so geschehen in einer Austrittsgemeinde!

4. Wir rnöchten jedoch erklären, daß unsere Polemik sich in keiner Weise gegen die Jeschiwah selbst richtet. Cs ist zu begrüßen, wenn recht viele junge Leute sich an der Frankfurter Jeschiwah ein größeres jüdisches Wissen erwerben; cs wird jeden Lehrer freuen, wenn in seiner Gemeinde sich Laien befinden, dielernen" können und es mag auch mancher junge Kollege sich an der Jeschiwah noch weitere Ergänzung und Ab­rundung seines Thorawissens verschaffen. Wogegen wir uns wenden, ist, daß Ieschiwahs in Verkennung ihrer Aufgabe Berussbildungsstättcn sein wollen, wozu sic weder geeignet noch notwendig sind.

M. Rosenfeld M. Adler

erÄehungsgrundsätze und Zugenderziebung ln Bibel und lalmuö

von Hauptlehrer Sonn, Buttenwiesen

Ein Kind, das noch kein Verständnis für den Wert des Wissens besitzt, kann daher durch kleine Geschenke, durch Süßigkeiten zum Ler­nen angespornt werden.Der wird dir etwas schenken, wenn

du schön aufmerkst und lernst, versprechen die Alten dem Kinde. Ist das Kind geistig weiter fortgeschritten, so ist die einfachste und natürlichste Belohnung das Lob des Erziehers, der Ausdruck seiner Zufriedenheit mit den Schülerlcistungen. Das Lob wendet sich an das Ehrgefühl, spornt zuin Fleiß an und erregt den Wetteifer.W cttcifcr u n - t c r den Schülern vermehrt die Weisheit! Ander­seits ist beim Lobspenden weise Mäßigung geboten. Unsere Weisen empfehlen: Nur einen Teil des Lobes sage dem Men­schen ins Gesicht; nur in seiner A b w escn h ei t ist un - e ingeschränktes Lob z u l ä s s i g."Denn cs liegt die Gefahr der Selbstüberhebung und des Eigendünkels nahe.

Lobende Anerkennung muß aber auch gerecht sein. Nur wahrer Fleiß und treffliche Leistungen dürfen belohnt werden. Persönliche Rücksichten, reiche Eltern, äußere Schönheit, hervorragende Begabung dürfen den Gerechtigkeitssinn nicht beeinflussen. Diesen Gedanken hebt der Tal- :nud an verschiedenen Stellen hervor.

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W er keine eigenen Vorzüge besitzt, wird auch durch Vorzüge anderer nicht geadelt."

Cs ist eine Forderung der Gerechtigkeit, Kinder gleichmäßig zu be-