Nr. 17
Jüdisches Gemeindeblatt für den Verband der Kultusgemeinden in Bayern
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Der Zentralausschufj für Hilfe und Aufbau
bei der
Reichs Vertretung der Juden in Deutschland
ist die Zentralstelle für die Sozial- und Hilfsarbeit, welche notwendig ist, um der immer größer werdenden Zahl derer zu helfen, die Erhaltung ihrer Existenz oder Vorbereitung und Durchführung ihrer Auswanderung von uns erwarten.
Wohlfahrtspflege . Wirtschaftshilfe . Schul- und Bildungswesen. Berufsumschichtung . Vorbereitung und Durchführung der Auswanderung
in alle Länder sind das Kernstück dieser Arbeit.
Während der Umfang der Aufgaben immer größer geworden ist, wird die Leistungsfähigkeit durch Verminderung der Zahl und der wirtschaftlichen Kräfte immer schwächer. Mit Steuermitteln allein sind die erforderlichen Beträge nicht aufzubringen. Die Hilfe der großen Auslandsorganisationen muß versagen, wenn nicht die Juden in Deutschland selbst das Äußerste tun, um aus eigenen Kräften, durch festen, selbstlosen Zusammenschluß und echte Opferbereitschaft sich selbst zu helfen.
Deswegen bedarf die Sammlungsaktion, die in unserer Gemeinde durchgeführt wird, der tatkräftigen und opferbereiten Unterstützung aller Gemeindemitglieder.
Wir sind gewiß, daß jeder Jude sich dessen bewußt sein wird, daß die Bewältigung unserer großen gemeinsamen Aufgabe den Einsatz jedes einzelnen mit ganzer Kraft erfordert.
Drei Künsflerkalender für das Jahr 5698 (1937/38)
Palästina-Kalender — Kalender der Künstlerhilfe — Kalender des Jüdischen Frauenbundes
Pünktlich vor den in diesem Jahr sehr früh fallenden Feier- Schildberger. Unter den 37 jüdischen Künstlern aus Berlin und tagen erscheinen wieder nach sorgfältiger Vorbereitung die drei dem Reiche befinden sich Maler und Autoren, die der Nach- in vielen jüdischen Häusern gut bekannten und eingeführten wuchsgeneration angehören. Der Uberschuß aus dem Verkauf Bild-Kalender, jeder für sich eine Musterleistung des jüdischen (Preis 2 RM.) des Kalenders wird jüdischen Künstlern zur Vergraphischen Gewerbes und der Lichtbildkunst. fügung gestellt. Die Bilderauswahl ist wieder vorzüglich ge-
Der im dritten Jahrgang erscheinende Palästinaka- troffen. Namen wie Josef Batö, Else und Ludwig Meidner, 1 e n d e r, den der Verlag der Jüdischen Rundschau heraus- Leonid Pasternak, Anita Ree, Alexander Oppler, sind mit Vergibt, unterscheidet sich äußerlich von seinen Vorgängern da- S en, Texten und Wiedergaben von Kultgegenständen und alten durch, daß ihm eine von dem Bühnenbildner des Jüdischen interessanten Drucken untermischt. Kulturbundes Berlin, Heinz Condeil, entworfene gefällige Mappe
beigegeben ist, in der die mit künstlerischen Photoreproduk- Endlich der allgemein beliebte Frauenbund-Kalen-
tionen geschmückten Abreißblätter nach Ablauf des Jahres ge- der! Die Herausgeberinnen Lisbeth Cassirer und Hannah
sammelt werden können. Die Bilder stammen von Z. Kluger Karminski sind auch diesmal wieder sehr sorgsam und sach-
(Tel Awiw), Gidal (Jerusalem), Änne Mosbacher (Kassel), H. kundig am Werk gewesen. „Jüdische Künstler sehen die Welt",
Sonnenfeld (Berlin) und aus dem Palästinatonfilm „Awoda" von lautet das Motto. Die vierizg" Blätter zeigen in der Tat die
Helmar Lerski. Sie bieten wieder eine Auswahl charakteristi- Weite der Welt, in die die Juden wieder hinausgetrieben sind,
scher Aufnahmen aus dem alten und neuen Palästina. In dem Nordsee und Kap der guten Hoffnung sind die Pole, zwischen
Vorwort, das Joachim Prinz unmittelbar vor seiner Abreise denen sich die Bilder der reizvollen kleinen Galerie bewegen,
nach Amerika geschrieben hat, ist von den Sorgen die Rede, Max Osborn hat darüber in den letzten Frauenbundblättern das
die die ungewisse Zukunft des Landes erweckt. Aber die ausgesprochen, was jedermann bewegt, der mit Verständnis
Sprache einer aus dem leidenschaftlichen Willen eines Volkes ein Blatt nach dem anderen umschlägt: „Mit berechtigtem
geschaffenen Wirklichkeit sei stärker als die Sprache aller Stolz verfolgen wir, wieviel Tüchtigkeit und Genie, formende
Dokumente. Die palästinensischen Bildausschnitte vom Davids- Kiaft und leidenschaftliche Vision in diesen Schöpfungen jüdi-
turm über die Landschafts- und Schulbilder, die Photos von scher Künstlermenschen sich offenbart, wie sie mit erweckten
den neuen kulturellen Schöpfungen der letzten Jahre, die Bilder Sinnen der Stimme der Landschaft lauschen, das Rauschen des
aus dem Leben der Arbeit und des Gesanges bis zu den Por- Sturms, das Gewoge des Korns, den blühenden Jubel sommer-
träts und Städtebildern vermitteln einen starken neuen Ein- licher und tropischer Farben, die Schwermut des Abends ins
druck von dem trotz aller Schwierigkeiten aufblühenden Land. Gleichnis des Abbilds einfangen, wie die Natur unendlich ver-
Im Verlag Josef Jastrow (Berlin) ist der Kalender schiedener Breitengrade ihre stets veränderte Sprache redet
der Künstlerhilfe erschienen. Die Redaktion besorgten: — wie in der frohen Lust des Gestaltens über alles Erleben
Professor Dr. Franz Lansberger, Dr. Osborn und Dn Hermann des Alltags triumphiert „des Lebens brausender Überschwang"!
Lernf Sprachen!
In dieser Nummer des Gemeindeblattes ist der neue Stunden- bis zur Fähigkeit im fremden Land einen Beruf ausuzüben.
plan der Fremdsprachkurse des gemeindlichen Lehrhauses ver- In diesen Tagen sind übrigens zwei billige und sehr zweck-
öffentlicht. Auf die Unentbehrlichkeit der Fremdsprachen in mäßige Einführungen ins Spanische und Portugiesische in Briel-
unserer Situation ist heute kein Wort mehr zu verlieren. Es form von J.. Malkiel (im Kommissionsverlag der Varia-Verlags-
gibt sehr viele Stufen der Sprachkenntnisse, ebensoviele Lehr- auslieferung, Berlin SW 29) speziell für jüdische Auswanderer
und Lernmethoden" und noch mehr Illusionen der Sprachbeflis- erschienen. Die Briefe..wurden in diesem Jahr im „Israelit,
senen über den Grad der Fertigkeit und Sprachgewandtheit Familienblatt" veröffentlicht, als erste Grundlage für Siedler,.