V. b. b.

>rgan der jüdischen sozialdemokratischen Arbeiterorganisation Poale Zion, Wien

Erscheint zweimal monatlich

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Wien, II., Blumauergasse 1/11

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vierteljährig. S 1.20 halbjährig . . , 2.40

Einzelne Nummer 20 Groschen

Nr. 2.

Wien, 11, Februar 1926.

3. Jahrgang.

Korruption.

Pressekorruption ist hierzulande keine Seltenheit. In einer Stadt, in welcher ein Chefredakteur (Be- kessy) den traurigen Mut besitzt, öffentlich kund- zutün,daß die Presse von ihrem Geldgeber nicht unabhängig sein kann", und ein zweiter Kollege (Lippowitz) die Kosenamen Dieb, Betrüger und Er­presser ruhig hinnimmt, sollte man gegen Presse­korruption eigentlich abgestumpft sein. Und dennoch hat die Skandalaffäre des Chefredakteurs des ,Abend' Herr Alexander Weiß eine große Empörung hervor­gerufen.

Wenn wir von Empörung sprechen, so denken wir nicht an die von Horthy und der Großindustrie ausgehaltenen Blättern, die sich bei dieser Gelegen­heit an dem radikalen Blatte ihr Mütchen kühlen wollen. Das Gerede der Herren Benedikt, Sieghart, Lippowitz ist Heuchelei schlimmster Sorte, denn ihre Blätter waten ja im Dreck der Korruption, ihre gei­stigen Produkte strotzen ja von Prostitution. Aber die Empörung ergriff den großen Leserkreis 1 des. Abend''' und den zwar sehr geringen, aber dennoch vorhandenen Teil der anständigen Presse. Und das allein deutet schon auf die besondere Wichtigkeit dieses Falles hin.

Und dieser Fall ist wirklich unerhört.

Seit zehn Jahren wirkt imAbend", ein Blatt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen Korrup­tion und Reaktion rückhaltlos und unerschrocken zu kämpfen, ein Chefredakteur, der auf große Verdienste in der Aushebung der Nester der Korruption hin­weisen kann, und am' Ende stellt es sich heraus) daß Herr Weiß, der nicht ermüden wollte im 1 Predigen von Wasser, selber Wein (feinsten Tokajer) getrun­ken hat.

Herr Alexander Weiß hat seine Position als ge- fürchteter Journalist ausgenützt, um Milliarden, durch verschleierte Transaktionen, einzustecken. Und dieser Herr Weiß hat kein geringeres Gehalt als 1 9000 S. monatlich bezogen. Seine Kollegen aber, insbesondere der greise Gründer und Herausgeber des Blattes, Carl Colbert, haben keine Ahnung vom Treiben des Herrn Chefredakteurs.

Was uns an diesem Falle besonders interessiert, ist folgendes:

1. Die Form einer Arbeitsgemeinschaft, wie sie die Mitarbeiter desAbend" gebildet haben, bietet keine Garantie für solche und ähnliche Entgleisun­gen, denn das ist ja nicht das wesentliche, ob ein einzelner, oder mehrere Mitarbeiter die Reingewinne einstecken. Im übrigen zweifeln wir daran, ob alte; anderen Mitarbeiter zusammen einen höheren Be­irag an Gehalt bezogen haben als 1 Herr Weiß allein. Ein wirklich demokratisches .Zeitungsunternehmen, das nicht privatkapitalistisch sein will, muß sich bei .Wahrung aller geschäftlichen und redaktionellen Ge­heimnisse eine weitgehendere Kontrolle sichern.

2. An der Versicherung des Herrn Carl Colbert, daß er nicht die geringste Ahnung vom Treiben des Herrn Weiß hatte, kann nicht gezweifelt werden, aber das rechtfertigt ihn noch lange nicht. Es dürfte und es darf in einem demokratisch organisierten Be­trieb' nicht geduldet werden, daß ein Mitglied, auch wenn es der Leiter selber ist, so allgewaltig werde.

Die Labor-Party und der Palästina­aufbau.

Von Colone! J. Wedgwood, ehemaliges Mitglied der englischen Arbeiterregierung.

(Aus seiner Rede in der New-Yorker Konferenz der Vereinigten jüdischen Gewerkschaften für die Aktion der Institutionen der jüdischen Arbeiterschaft Palästinas.)

Die englische Arbeiterpartei behandelt die Frage des Palästinaaufbaues vom internationalen Stand­punkte. Die Poale Zion sind mit der englischen Ar­beiterpartei verbunden und durch diese Verbindung haben sie die Palästinafrage auf die Tagesordnung der englischen Arbeiterpartei gesetzt. Und wenn auch diese Verbindung mit unserer Bewegung nicht vor­handen wäre, kann ich mit Bestimmtheit behaupten, daß wir auch dann den Palästinaaufbau unterstützt, hätten, weil wir darin die Verwirklichung eines Ideals fyr die Juden erblicken, welches den Bestrebungen der Labor-Party innerhalb der britischen Arbeiter­schaft in vielem gleicht.

Es dürfte nicht unbekannt sein, daß vor einiger Zeit die Mehrheit des englischen Volkes über den Palästinaaufbäu ungefähr sq fachte:Was geht uns die Judenfrage an? Welches Interesse haben wir an den Juden und am jüdischen Volke in Palästina? Die Balfour-Deklaration war wohl angebracht und wir sollen unser Versprechen einhalten, aber es ist für uns äußerst schwer, neue Verpflichtungen zu übernehmen. Die Juden wollten nicht nach Palästina und wir haben vor allem Verpflichtunigen den gegen­wärtigen Einwohnern des Landes gegenüber." Die arabische Bewegung fand zu jener Zeit große Unter­stützung in den Kreisen der englischen Regierung. Die Araber waren unsere Verbündeten und wir sym- patisieren mit ihnen. Vor einigen Jahren ist also das Errichten einer jüdischen Arbeitergesellschaft in Palästina auf ernste Schwierigkeiten gestoßen. Die Möglichkeiten der Verwirklichung der Balfour-De­klaration sind stets geringer .geworden. Aber jetzt, nach sieben Jahren, hat sich eine völlige Wandlung in den Köpfen des englischen Volkes vollzogen und ich wünsche, daß die Juden diese geänderte Stellung­nahme erfahren.

Wir haben wahrgenommen, daß im letzten Jahre nicht weniger als 30.000 Juden nach Palästina ein­gewandert sind. .Wir haben uns überzeugt, daß dies Einwanderung ununterbrochen zunimmt, und wir dür­fen, ohne der Uebertreibun'g geziehen werden zu können, behaupten, daß die Juden in Palästina eine agrikulturelle Wirtschaft, unserem Geiste entspre­chend, errichten. Sie haben Arbeitskräfte,Wissenschaft, Geld ins Land gebracht und stufenweise schaffen sie in Palästina ein Beispiel für die ganze Welt, daß

man sich überzeuge, was erreicht werden kann, wenn sich Denken und Begeisterung auf kolonisatorische Tätigkeit konzentrieren. " -

Ich hege den Wuns'ch, daß sich das ganze jüdi­sche Volk darüber klar sein möge, daß das;\ ( was jetzt in Palästina vor sich geht, den Ereignissen, die vor 300 Jahren Jin Amerika zu verzeichnen waren, sehr ähnlich sieht. Vor 300 Jahren sind dieChalu- zim" aus England nach Neu-Engländ eingewandert und unter Bedingungen, die nicht so schwer waren,,* wie die der Juden in Palästina, haben sie den, Grundstein dieser großen Republik gelegt. In den 18 Jahren, von 1622 bis 1 1640, haben die Pioniere! der neuen Welt die Zahl 1 ihrer Bevölkerung um 40.000 Seelen erhöht, während die Juden in Palä­stina in den sieben Nachkniegsjähren allein um' 50.000 Seelen' gewachsen sind und eine große -Be­wegung von historischer Bedeutung hervorgerufen,; ähnlich derjenigen, die diepilgrim faters" vor 300 - Jahren in Amerika geschaffen haben. .

Wir in England pflegten immer auf Dänemark als beispielgebendes Land der industriellen und land­wirtschaftlichen Entwicklung hinweisen. Im Jahre 1864 wurde Dänemark durch seinen größtenteils 1 sandigen. Boden zu einem unbedeutenden Teil Europas herab­gedrückt. Aber durch den Aufwand von Intelligenz:,. Wissenschaft und durch die Anwendung der ge­nossenschaftlichen Methode ist in Dänemark eine für die ganze Welt beispielgebende Landwirtschaft ent­standen. Durch das' genossenschaftliche System, das die Juden in Palästina anwenden, haben sie ein JBeP spiel geschaffen, welches die ganze Welt bewundern und daraus Lehren ziehen wird. Wir sehen jetzt in Palästina ein neues Dänemark, ein neues Beispiel 1 * wie ein nicht landwirtschaftliches Volk in der Land­wirtschaft erfolgreich werden kann.

Das Mandat ist oft mißverstanden worden. Das­selbe verpflichtet uns, in Palästina eine nationale] Heimstätte für die Juden zu errichten. Unsere Auf-, gäbe ist es demnach, das Mandat der Bevölkerung,; bis sie allein zu regieren imstande sein wird, zu über­geben. Der Erfolg Englands kanni also nur darin bestehen, daß es in Palästina überflüssig werde. 'Im' gegenwärtigen Zeitpunkte können wir das' Land noch nicht verlassen. Wir dürfen Palastina nicht frühen verlassen, bis im Lande eine Mehrheit von Juden 1

Insbesondere dürfte es Herr Colbert als Gründer und Herausgeber das Blattes nicht so weit kommen lassen.

3. Die Zahlung von so hohen Gehältern in einer Zeitung, die gegen die hohen Gehälter der Bank­direktoren unaufhörlich Sturm läuft, ist ein Unfug, der den Kern der Korruption in sich bürgt. Das wenigste, das man von anständigen Journalisten ver­langen kann, ist, daß sie selber nicht tun sollen*

was sie anderen vorwerfen. Mit dem Geldverdienen ist es wie mit dem Essen, wenn man viel verdient; will' man immer mehr und mehr haben.

Und dafür ist die ganze Arbeitsgemeinschaft des Abend" verantwortlich. Es liegt im Interesse der geringen Zahl der anständigen Blätter dieser Stadt,; daß hier ehestens Wandel geschaffen werde und der Abend" seinen guten Ruf wieder herstelle. S.

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