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Jüdi sche S chulzeiking.
Die Fortbildungskurse dagegen haben umgekehrt in erster Linie nicht s ch u l t e ch n i s ch e, sondern schul, wissenschaftliche Ziele. Sie bezwecken ferner die systematische Durchbildung und Schulung auf möglichst vielen Gebieten. Ihr Blick ist nicht auf etwas Einzelnes. sondern auf Totalität gerichtet. In seelischer Beziehung vollends sollen sie den Lehrer einmal auf längere Zeit aus den Alltäglichkeiten seines Amtes m die Sphäre der Wissenschaft heben und ihn ungestört deren Freuden und Seligkeiten genießen lassen.
Neben allen unmittelbaren Zwecken und Zielen können die Frotblidungskurse mittelbar einen Erfolg von weittragender Bedeutung bringen, der sie über sich selbst hinauswachscn läßt. Spiegeln sich auch ihre Reflexe zunächst im engen Schulbetrieb wieder, so regen sie nicht weniger die Teilnehmer — sicherlich einen Teil — zu geistiger Tätigkeit außerhalb desselben an. Der Wert und die Notwendigkeit wissenschaftlicher Arbeit wird erkannt, der Sinn geschärft für die Richtung, in der die Lösung scstumrissener Aufgaben pädagogischer Art zu suchen und zu finden ist, vor allem aber wird der Wille und die - Lust geweckt und gestärkt, hierfür die eigene Kraft miteinzusehen. Unter der Einwirkung der Kurse erwächst aus dem zunächst geographischen Zusammenschluß der Religionslchrer eine geistige Arbeitsgemeinschaft. In diesem Zusammenhänge sei beispielsweise auf die „Wissenschaftliche Vereinigung jüdischer Schulmänner in Berlin" hingewiesen, die aus ihrem Gemeinschaftsgeist heraus pädagogische Meisterwerke geschaffen hat. wie die kleine Ausgabe biblischer Erzählungen für die jüdische Jugend und die Lehrbücher für den hebräischen Unterricht von Abraham, die fast in ganz Deutschland, zum Teil auch in Baden, eingeführt sind. Zum Vergleich sei auch an die rege Tätigkeit in Frankfurt erinnert, besonders an die Arbeiten von May und I. B. Lcvy. 'Aus nichtjüdischem Kreise sei berichtet, daß aus Fortbildungskursen in Bayern die Arbeitsgemeinschaft Münchener Katecheten entstanden ist. deren ..Ausgeführte Katecheten" für die Reform des katholischen Religionsunterrichts von größter Bedeutung geworden sind.
B. Der Lehrplan der Fortbildungskurse.
I. Grundsätzliches über Wissensmehrung.
1. Das Judentum ist nicht in dem Maße wie andere Religionen ein dogmatisches Lehrgebäude. Seinen Inhalt erfaßt man nicht erschöpfend durch Kenntnis von Glaubenssätzen. Der Wesensgehalt unserer Religion wird in höherem Grade durch Kenntnis des Schrifttums selbst gewonnen. Der Duft, der aus ihm aussteigt, ist jener Wohlgeruch, der sie uns lieblich macht. Daher haben zu allen Zeiten unsere Weisen dem „Lernen" eine überragende Bedeutung beigelegt. Ihr Leitgedanke war: Die Liebe erwächst aus dem Wissen. Wer als Lehrer Liebe erwecken soll, muß selbst Liebe besitzen, d. h. ein Wissender sein.
2. Die geschichtliche Entwickelung hat es mit sich gebracht, daß der Kreis der Träger jüdischen Wissens sehr eng geworden ist. Der Ausfall an der Zahl muß nach Möglichkeit ausgeglichen werden durch vertieftes Wissen der Wenigen, zu denen gegenwärtig die Lehrer gehören.
3. Das eigene Wissen ist der stärkste A n t r i: b zur Weitergabe. Wer etwas Tüchtiges gelernt hat. wird nicht lediglich aus kalter Amtspflicht. sondern aus höherem, innerem Drange heraus sich getrieben fühlen, von seinen Kennt-
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nmen anderen mi:;n:eilen. Er wird zudem über die Bannmeile der 36:itc hinaus innerba'.d seiner Gemeinde Ge-egenheil suchen, sie zu verbreiten. Wenn die Belehrung der Erwachsenen durch Vor« träge oder Smiurim vielfach daniedcrlicgt. so liegt der Grund hierfür nicht lediglich bei den Laien. Man kann Erwachsenen nicht zumuten. der Sache und der Form nach Dinge zu hören, die das Maß des in der Jugend in der Schule Gelernten nicht wesentlich überschreiten. Reiches Wissen des Ley. rers ist ein psychologischer Hebel zur Regsamkeit. Er sucht Lernbegierige und wird sie immer finden.
4. Reiches Wissen macht den Lehrer
a) freier, gleichsam persönlicher. Es löst ihn in der Form der Darbietung und in der stofflichen Darreichung von seinem Schulbuch, dessen Sklave er vielfach ist. Er weiß in seinen Vortrag mancherlei Interessantes aus seiner Schatzkam- mer hineinzuweben, das der Leitfaden nicht zu geben braucht. Der Lehrer gestaltet selber und unterrichtet daher frischer und lebendiger. ^ b) Wissen macht ihn sicherer. Er braucht — zumal auf Mittel- und Oberstufen — keine Scheu vor freier Aussprache zu haben. Die „freie Aussprache" wird in neuerer Zeit mit Recht als ein bedeutsamer pädagogischer Handgriff empfohlen. Sie setzt aber einen kenntnisreichen Lehrer voraus, der den Fragen und Einwürsen der Schüler nicht ausweicht. Je sicherer der Lehrer sich weiß, desto wirksamer ist sein Un- terricht. Zugleich gewinnt er c) Autorität, wenn die Schüler seine „Beschlagen- heit" erkannt haben.
5. Die Lehrerschaft bemüht sich um die Er- keuntuis der rechten Methode. Von ihr wird alles Heil erwartet. Mit Recht wird dabei auch Umschau gehalten bei den allgemeinen pädagogischen Bestrebungen. um ans ihnen zu lernen, was aus den jüdischen Religionsunterricht übertragbar ist. Dieses Verfahren, innerhalb gewisser Grenzen durchaus berechtigt, hat zu einem umfangreichen Methodenstreit geführt. Ueber ihn wirb leider allzu oft vergessen: der Stoff richtet sich nicht so sehr nach der Methode, wie die Methode nach dem Stofs und seiner Eigenart. Die geeignete Form der Darbietung kann nur aus einer gediegenen Kenntnis der Materie herauswachsen. Ante und post werden sonst leicht vertauscht.
Aus diesen Darlegungen sei die Forderung abgeleitet: Der Fortbildungs-Kursus mehre vor allem das positive Wissen.
H. Das Wissensgebiet.
a) Wissenschaft des Judentums.
1. Bibel, 2. Tatmudische Literatur, 3. Dezi- soren, 4. Nichtreligionsgesetzliche Literatur. 5. Geschichte. 6. Die jüdische Religion als Ganzes (eiuscht. Religionsphilosophie und Apologetik).
b) Kantorat. *)
c) Allgemeine Religionsphilosophie.
Das Judentum ist zwar als gegebene Wahr- heit vorausgesetzt und die gründliche Erweiterung der Kenntnis seines Inhalts ein Ziel der
*) Der vorliegende Aussatz behandelt indessen nur S ch u l- Unterrichtsfächer.