Nummer 4

4. IahrganM

Monaksschrist für Pädagogik und Schulpolitik

Heransgegeben vomVerbände der jüdischen Lehrervereine im Deutschen Reiche"

Monaksschrist für Pädagogik und Schulpolitik

DieJüdische Schuizeiumg" erscheint am 15. I eineSsedenMonalsundwi»ballen Nilgliedern | der demVerband der jüdischen Lehrervereine ! im Deutschen Reiche" anqeichlossenen Vereine kostenlos zuqesiellt. - Post-Bezugsprcis für j N i ch t Mitglieder: Mk. 1.2« pro Quartal. !

Hamburg, 15. April 1.9ÄH

Drurk, Vertag und Geschäftsstelle:

M. Lehmann, Hamburg, ABC-Straße 57. Tel.: Sammelnummer C4 Dammtor 0737

Verantwortlich für den redaktionellen Teil:

M. Steinhardt. Magdeburg, für den Inseratenteil: E. L o o s, Hamburg. Anzeigenpreis 4«

für die «gespaltene Nonpareille-Zeile.

Inhalt dieser Nummer:

Die Jüdische Jugendbewegung und die jüdische Lehrerschaft von A. Neu h a u s. (Schluß.) Die Behandlung des Eides im Neli- gionsunlerricht der Volksschule von Konrektor I. Speyer. Bereinsberichte. Literarisches. Notizen. Hilsskasse des Jüdischen Lehrerverbandes in Preußen.

Die jüdische Jugendbewegung und die jüdische Lehrerschafl.

(Vom jüdisch-weltanschaulichen Standpunkte aus behandelt.)

Bon A. Nelchaus. Fritzlar.

(Schluß.)

Was aber soll der jüdische Lehrer der zu ihm kommen­den Jugend sein? Ihr Führer in allem, was sie bewegt? Ihr Begleiter auf ihren Wanderungen? Das Instrument der Kritik, dessen sie bedürfen? Der zu Spiel und Sport Anregende, wie überhaupt zu allen Betätigungen echt jugendlichen Lebens? Wenn einer von uns Aufgaben dieser Art übernimmt und eine große Zahl von Kol­legen findet sich dazu bereit, so müssen wir ihn als Jugendlichen unter Jugendlichen ansprechen. In ihm findet sein Führertum mit seinein Wirken als Lehrer eine ideale Vereinigung. Aber Führer und Lehrer ist nicht dasselbe. Es gab eine Zeit, sie kam in der jüdischen Jugendbewegung nicht in ihrem ganzen Ausmaße zur Geltung, in der die bewegte Jugend nur den Führer verlangte und den Lehrer ablehntc. In dem Wandel dieser Anschauung offenbart sich uns eben die organische Einfügung der Jugend in die Volksgemeinschaft, für die sie wirken will, und wovon wir bereits gesprochen Haben. Der Führer verkörpert in sich das eigentliche Wesen der Gruppe; er gehört seinen Jahren nach zu ihr und bringt auch in seiner ganzen Persönlichkeit das in der Gegenwart wurzelnde Streben und Ringen zum klaren Ausdruck. Er ist der Dolmetsch der Stunde, die ihm gebietet, und der er gehorcht. Der Lehrer dagegen ist der Vermittler überzeitlicher Gcistesgüter. Diese entspringen nicht den Forderungen des Augenblickes und stehen nicht unter der zwingenden Gewalt der flüchtigen Zeit, mit der sie kommen und gehen. Sie stellen sich vielmehr als Wahrheiten dar. die ihren Wert in sich selber tragen. Schon seit Jahrtausenden begleiten sie die Menschheit und veralten nicht, weil Ewigkeitswerte in ihnen stecken. Sie quellen aus der Tiefe des Geistig-Seelischen, das sie gebiert, und Wert und Bedeutung kann ihnen erst dann genommen werden, wenn die Quelle versiegt, der sie entströmen.

Damit ist die Aufgabe des Lehrers um diese handelt es sich im wesentlichen in diesem Teile meiner Ausführungen schon in scharfen Linien Umrissen. Nur wird die Wirklichkeit sehr oft an diesen theoretischen

Unterscheidungen achtlos vorübergehen. .Hier wird zwei­fellos das eine in das andere greisen, und zwar von innerer Notwendigkeit dazu getrieben. Denn was einem Geistesgute seine Ueberzeitlichkeit sichert, liegt darin, daß es zu allen Zeiten das Bedingende ist. Seine Unabhängig­keit von Zeit und Raum macht es zum Saatgut für jede Zeit und für jeden Raum, zur lebendig wirkenden Kraft für jede Gegenwart. Ueberzeitlichcs verwandelt sich in diesem Sinne stets in Zeitliches und wird zur Forde­rung der herrschenden Stunde. In dieser Beziehung aus das Ewigbindende wird der Lehrer als Führer angc- sprochen werden können, und in der ihm folgenden Gruppe wird die Lehre, die er verkündet und verkörpert, zum erlebten Leben.

Zu der Unterscheidung von Lehrer und Führer tritt in diesem Zusammenhänge aber noch eine weitere Be­grenzung hinzu. Sie ergibt sich aus der hier vorliegenden Situation. Die jüdische Jugend und die jüdische Lehrer­schaft sind auseinander bezogen. Das kann aber nur be­deuten. daß die Lehrerschaft als Ganzes e s a u ch nur mit bcm Ganzen d er jüdischen Inge n d beweg«ng zu tun hat. Es würde eine Sünde gegen ihren eigenen Geist bedeuten, wenn sie vor dem. was uns alle eint, das Unterscheidende und Trennende in den Blickpunkt ihrer Betrachtung stellte. Der Lehrer darf nicht die Besonderheit der einzelnen Gruppe pfle­gen und die Tendenz zur Absplitterung vom Ganzen stärken. Sein Gedankliches hat in dem Urgründe der jüdischen Lehre zu wurzeln, der alle umfaßt und alle trägt, die sich zur jüdischen Jugendbewegung zählen. Diese Begrenzung bedeutet aber in Wahrheit eine Fülle und die Einengung eine fast unerschöpfliche Tiefe. Wenn, wie wir gehört, die Sehnsucht nach vollwertigem 'Men­schentum die Sehnsucht nach vollwertigem Judentum ent­zündet hat. wenn Jugend mit dem von ihr gesuchten Sinn des Judentums das Eingangstor zur Sinngebung des Lebens zu erschließen hofft, wenn nach ihrer Auf­fassung Verwurzelung mit dem Judentum Verwurze­lung mit dem Leben bedeutet, so ist die Aufgabe so groß und umfassend, daß sie größer und umfassender kaum gedacht werden kann. Und so groß sie ist. der jüdische Lehrer kann den aus ganzer Seele Süchenden echter, wegweisender Führer sein. Er ist in der Lage, bcu Nachweis zu führen, daß die in seiner Weltanschauung sich offenbarende Seele des Judentums ihre treiben­de n Kräfte i n alle Strömungen des Lebens h i n e i n s e n d e t, die der Höhersührung der Menschheit dienen. Denn nur in dieser Höherführung, in diesem Wachstum hinauf zu leuchtenden Zielen kann überhaupt ein Sinn des Lebens entdeckt werden. Es gilt, die große einheitliche Linie aufzuweisen, die durch Lehre und Pflichtcnleben des Judentums geht, die führend und be­stimmend ist in seiner Geschichte wie in dem Leben seiner