14. lahrgang

Verlagsort: Mannheim 2

Nummer 2

üdische Schulzeitung

Monatssdirift für Erziehung, Unterricht und Schulpolitik

Organ des Reichsverbandes der jüdischen Lehrervereine (Geschäftsstelle des Verbandes: Berlin C 25, Kaiserstraße 29)

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-DieJüdische SchulzeituTtB-^ er­scheint am 1 . eines jeden Imnats.

Postbezugspreis: 0.75 pro (3(uartal. --*-

(. Mannheim, den i. Februar 1938

Dijuck und Verlag: Gebrüder Neubauer, Ludwigshafen a. Rh.

Redakteur: Dr. S i e g f r i ed Br aun K ö i n-S ü Iz, Unkelerstraße 17

Martin Buber

der Bildner und Erzieher. (Zu seinem 60. Geburtstag)

von Dr. Ärthur Galliner

Der ganze Reichtum von Martin Bubers Persönlichkeit ist aus einer Quellströmung erklärbar: aus der Kraft des Bildners, des Erziehers; diese Kraft beseelt ihn von Anbeginn und gibt all seinem Streben und Ringen, seinem Wollen und Tun Sinn und Ziel. Wie in einem Brennspiegel sammeln sich hier alle. Strahlen seines schöpferischen Geistes. Welche Wandlung er auch immer durchgemacht auf dem Wege von der Aufgeschlossenheit gegenüber weltlicher Bildung, europäi­scher Geisteskultur in Philosophie, Literatur und Kunst zum wirkenden^Kultur-Zionisten dem Zionismus nicht Partei, sondern Weltanschauung ist von da zum Erschließer, zum Offenbarer der chassidischen Welt und schließlich zum Predi­ger und Lehrer religiösen Judentums, religiösen Menschen­tums überhaupt stets und ständig war es der unwidersteh­liche Drang, durch Selbstbildung, Selbsterziehung, Selbst­erlösung auch auf andere bildend, erziehend, erlösend zu wir­ken. Wie in seiner Person, in seiner Seele die beiden Haupt­str öme d es modernen Judentums Aufklärung (Haskala) und Chassidismus miteinander verschmolzen und nicht nur für ihn selbst, sondern für das gesamte Judentum von entschei­dender Bedeutung wurden, ist beispielhaft für den erhebenden Verlauf dieses Erziehungsprozesses. Schon in den Worten, mit denen er 1903 die MonatsschriftDer Jude" ankündigte er wollte sie gemeinsam mit Weizmann herausgeben spricht er es aus:Nicht wie die meisten wollen wir ein Stück aus dem lebendigen Organismus der Nation herausreißen und es ais d a s Judentum, als den Inbegriff seines Wesens und seiner Bestimmung hinstellen. Wir wollen nicht von einer mehr oder minder niedrigen Parteiwarte ans die Erscheinungen eines großen Volksschicksales messen. Es soll versucht werden, die Bestimmung des Volkes aufzuzeigen und aus der Erkenntnis heraus seinen Zukunftswillen zu entfachen." Das also ist's: Die eigenen Erkenntnisse in den Dienst der großen Erzie­hungsaufgabe zu stellen und so das Wollen des Einzelnen wie der Gesamtheit in eine bestimmte Richtung, zu einem be­stimmten Ziele zu lenken. Und als er den Chassidismus in sich selbst tiefstens -erlebt, entsteht stark und mächtig der gleiche Trieb, zu lehren, zu verkünden, zu bilden. So berichtet er selber:Da war es, daß ich, im Nu überwältigt, die chassi- dische Seele erfuhr. Urjüdisches ging mir auf, im Dunkel des . Exils zu neubewußter Aeußerung aufgeblüht:. Die Gottes- Ebenbiidlichkeit des Menschen als Tat, als Werden, als Auf­gabe gefaßt. Und dieses Ur jüdische war ein Urmenschliches, der Gehalt menschlichster Religiosität. Das Judentum als Re­ligiosität, alsFrömmigkeit", als Chassidut ging mir auf. Ich erkannte die Idee des vollkomme nen Menschen. Und ich wurde des Berufs irrne, sie der Welt zu ver­künde n." ....... . .

r Aber* nicht eine fertige, abgeschlossene, starre Lehre Wollt' er-verkünden. Er wollte vielmehr das judische Leben

voller, wirklichkeitsnäher gestalten. Diese lebenerfüllte,vi­talistische" Anschauung, die ihn in einen gewissen Gegen­satz zu Herzls Zionismus brachte, erfüllte sein Denken, be­stimmte sein Handeln: Herzls Zionismus war Erwartung ein politisches Zukunftsziel Bubers Zionismus sollte Leben sein und verlangte Gegenwartsarbeit, verlangte Umgestaltung des Volkslebens, Erziehung einer neuen Generation, eine um­fassende, zielbewußte Volkserziehung eine Arbeit von Ge­nerationen. Mittel hierzu sollte nicht nur die ZeitschriftDer Jude" sein sie erschien ein Jahrzehnt nach jener ersten Planung, sondern die unmittelbare Einwirkung in einer jü­dischen Volkshochschule, in Lehrhäusern für Jugend- und Er­wachsenenbildung.

Voraussetzung aber für diese Bildungsarbeit war ihm die Erkenntnis der besonderen Wesenheit der jüdischen Gemein­schaft,dieser absolut unvergleichbaren Individualität". Er erkennt deren Dualismus und bejaht ihn, den Dualismus des Geistes und des Lebensdranges, wie er eben einmal in der Haskala, zum andern im Chassidismus in Erscheinung getre­ten aber ihm ist dieser Dualismus kein unlösbarer Wider­spruch, noch weniger ein zerstörendes Moment sondern er bezeichnet ihn geradezu als schöpferisch,, sieht in ihm das Grundproblem des jüdischen Daseins, die Aufgabe des Juden­tums überhaupt, die keine andere sein kann, als zur Synthese der beiden Welten zu gelangen wie er sie tatsächlich in seiner Persönlichkeit verwirklicht. .

So mußte seine Bildungsarbeit von diesen Tendenzen jü­dischen Lebens bestimmt werden, von der Tendenz zur Ein­heit, zur Tat, zur Zukunft, Tendenzen, die nicht Stillstand, son­dern Bewegung bedeuten, nicht Statik, sondern Dynamik, nicht Abschluß, sondern Erneuerung, Erneuerung aber durch Rück­kehr zum Urjudentum.Urjude aber nenne ich den, der in sich der großen Kräfte des Urjudentums bewußt wird und sich für sie, ihre Aktivierung, für ihr Werkwerden entscheidet. Knüpfen wir also an das innerste Leben des Urjudentums an, streben wir zur Einheit in unserer Seele, reinigen wir das Volk, und wir haben an seiner Befreiung mitgewirkt, daran, das Judentum wieder frei zu machen für seine Tat in der Menschheit. Dieses ist, wie wir gesehen haben, immer die Bedeutung des Judentums für die Menschheit gewesen und wird es bleiben: daß es an sie immer wieder die Forderung der Einheit heranbringt, die aus der eigenen Entzweiung und der Erlösung von ihr geboren wird." So erwächst ihm die felsenfeste Ueberzeugung, die unumstößliche Gewißheit, daß der Geist des Judentums zu neuer Synthese sich bereitet, daß eswieder dem tausendfältigen, zerklüfteten, widerstre­benden Getriebe der Menschheit gegenüber die Forderung der Einheit erheben wird".

Diese erhabene Forderung, dieser große Bildungs- und Er­ziehungsplan setzt genau gesehen einen Völksbegriff vor­aus, der^sich weder mit dem.der Nationalisten noch der Niüht- nationalisten deckt. Er hat es in einer Lehrhausrede überBil­dung und Weltanschauung" wohl formuliert, was er unter Volk" in bezug auf die jüdische Gemeinschaft verstanden wis-