Seite 2
Jüdische Schulz ei tun g
Nummer 7
die Verwendungsmöglichkeit dargelegt, Querverbindungen zu anderen Stoffen hergestellt. „Aber damit ist durchaus nicht alles getan. Stärkste Eigentätigkeit, den Unterrichtsgang seiner Stunden selbst zu überlegen und zu bestimmen, kann und darf dem Lehrer nicht erspart werden. Er muß aus dem größeren Ganzen, das ihm dieser Plan samt allen Hilfsmitteln bieten will, sidh ein kleineres Ganze, das Arbeitsstoff seiner Klasse werden soll, zusammensetzen und gleichzeitig den einzuschlagenden Arbeits weg selbst festlegen. Dafür will der vorliegende Plan eine sichere Grundlage liefern. Ohne ein solches Fundament scheint mir eine fruchtbare methodische Erörterung j ü d i - seher Kulturkunde/heute nicht mehr möglich."
So der Verfasser, dem wir, bei aller Hochschätzung seiner Arbeit, doch nicht verhehlen können, daß u. E. erstens jüdische Kulturkunde doch wohl nicht nur im Anschluß an den Festkalender ganz erfaßt werden kann, daß wir sie zweitens, so wertvoll sie für den Einblick ins Judentum ist und ausgestaltet -werden kann, nicht zum Hauptfach der jüdischen Schule erheben können und sollen.
Mit diesen einschränkenden Vorbehalten nehmen wir das bewundernswert vielseitige, weit und tief forschende Werk des Verfassers dankbarst entgegen und wollen uns im Folgenden damit eingehend befassen. — Uns liegen vor: die „Arbeitspläne" für Pessach, Omerzeit und Schawuot,, Purim, Ssukkot. Ssimchat Tora und Chanukkah, sowie dazu gehörende „Quellenhefte", erstere von der Schulabteilung der Reichsvertre- tung, letztere vom Schocken Verlag herausgegeben.
Es würde zu weit führen, wollten wir alle diese umfangreichen Arbeiten in ihrer Bedeutung und ihrem reichen Inhalt darstellen und zergliedern — ein Beispiel muß genügen. Greifen wir zu diesem Zweck zu dem zuletzt erschienenen „Arbeitsplan für Omerzeit und Schawuot" und dem dazu gehörenden „Q u e 11 e n h e f t". Ehrmann schlägt, um eine rechte Stoffverteilung zu erreichen, eine Fortsetzung des im Pessach- Arbeitsplan begonnenen Themas »Von der Knechtschaft zur Freiheit" vor, um dabei die Volkwerdung unter Mosches Führung, der jeweiligen Klassenstufe angemessen, plastisch herausarbeiten zu können. Gerade bei solchen Gelegenheiten ist. -natürlich — das betont auch Ehrmann —eine rechte Planung unumgänglich. Bildet von vornherein die Omerzählung den leitenden Faden zwischen Pessach und Schawuot, so zieht Ehrmann auch drittens in den letzten Schuljahren eine vertiefende Behandlung der Zeit der Wüstenwanderung in Betracht. — Abgesehen von der rechten Darstellung der Sefirah hat der Lehrer natürlich die Pflicht, den Trauercharakter dieser Zeit zu beleuchten. Ehrmann gibt dazu reichlichen Stoff und bietet in seinem Quellenheft den Wortlaut der bezüglichen Talmudstellen sowohl, wie die Szene „Akiwa und Bar Kochwa" aus Moritz Heimanns „Weib des Akibia". Er vergißt auch nicht (für die Oberstufe wohl besonders der höheren Schule) den Hinweis auf die gottesd'ienstlichen Elegien 4er Omerzeit und bie^ tet dazu eine Probe. — Der Lag baomer und seine kulturhistorische Bedeutung finden einen weiten Raum in Ehrmanns Arbeit. Nach Heranziehung einer kurzen Zobelschen Deutung wird erstens die Feier dieses Tages in Osteuropa entzückend illustriert durch das Chedergeschichtchen Scholem Alechems vom verunglückten Lag baomer. Ehrmanns Vorschlag, bei dieser Gelegenheit das Chederleben eingehend zu schildern, dürfte wohl mehr in den Bünden oder in den Chaluzim-Heimen als in der Schule befolgt werden. Hingegen ist es gewiß schön und recht, die Feier des Lag baomer in Palästina zu schildern, wie sie sich um die sagenhaft umwobene Gestalt Rabbi Schimon ben Jochais gruppiert, dies durch die einschlägige Talmudstelle und die Darstellung Frischmanns des Lag baomer in Meron zu illustrieren, und — in der Oberstufe — die ergreifend bildhafte Erzählung Agnons „Hahadlakah" im Urtext oder, wo nicht angängig, m der Uebersetzüng zu lesen.
Daß Ehrmann an verschiedenen Stellen seiner Quellen- hefte die Stücke in der Ofiginalsprache (und in der Uebersetzüng) bringt, halte ich mit ihm für sehr richtig und begrüßenswert. Ueberall sollte der Lehrer, wenn irgendmöglich, seinem Unterricht den Urtext zugrunde legen, ja ihn sogar
möglichst aus den Büchern lesen lassen, denen sie entnommen sind, denn so wird er die Schüler anregen, tiefer zu dringen und zu „lernen". Nur so wird eine Brücke zürn lebendigen Hebräisch und zum Leben im Schrifttum geschlagen. Der hebräische Unterricht bleibt ein blasser. Sprachunterricht, wenn seine Uebüngen nicht in den lebendigen Zusammenhang gestellt werden, der sie in das Religiöse, Religionsgesetzliche, Historische, Kulturelle und KultueÜe einbettet. Kommt es doch auch ; vor, daß Anspielungen, Redewendungen, .sprachliche Schönheiten nur im Original zu erfassen sind und durch eine noch so gute Ueb'ersetzung Kraft und Eindruck verlieren. Man denke hierbei beispielsweise an den Ausschnitt aus dem Traktat Pes- sachim als Quelle der Haggadah schel Pessach oder an Jehuda Halevis und Bialiks Dichtungen. Schließlich müssen wir dem Verfasser auch dankbar dafür sein, daß er uns Texte zugänglich macht, die als Publikatioaen des Auslandes uns kaum noch zugänglich sind. So steht es auch mit den Quellen zu der Lag baomer-Feier in Meron. Indessen an dieser Stelle eine breite Behandlung der eigenartigen Persönlichkeit des" R. Schimon ben Jochai einzufügen — das ist wohl nur einem sehr fein ökonomisch und planmäßig arbeitenden Lehrer bzw. Lehrkörper möglich (denn nicht immer bleiben die Schüler jahrelang in der Betreuung eines Lehrers). Sonst entstehen die oben angedeuteten Gefahren.
Die drei biblischen Namen und der talmudische des Scha- wuotfestes finden zuerst ihre schulmäßige Begründüng, sodann die Erarbeitung des Wesensgehaltes von „semari mattan tora- tenu", der Ehrmann zunächst die biblischen und aggädischen Berichte über die sinaitische Offenbarung zugrunde legt. ~ In einem zweiten Teil „der Weg der Lehre" werden sodann die „Gesetze der Tora", die Sprüche der Väter, sowie das Thema „Israel und die Tora" behandelt. Dabei beschränkt sich Ehrmann auf die Aufstellung der vielen einschlägigen Quellenschriften, der Tora (planmäßig verteilt), der Pirke Awot, im letzten Teil auf kurze Midrasehim und Mischna-Ausschnitte. Aber auch das nachtafrnudische Schrifttum, so Mendelssohns kurze Darstellung der schriftlichen und mündlichen Lehre, die wir selbst auch in unsere „Denkmäler jüdischen Geistes* aufgenommen haben, sowie chassidische Miszellen sind nicht vergessen. — Das Schawuotfest als Jörn habbikkurim wird in allen Klassenstufen mit dem aktuellen Chag habbikkurim in Palästina in Verbindung gebracht. Nach den Festbestimmungen in der Tora und dem einschlägigen Mischnaabschnitt wird aus dem heutigen Palästinaleben das Fest der Erstlinge in Haifa geschildert, wird die tiefe Verbundenheit des Judentums mit Boden und Arbeit nach der Heiligen Schrift aufgezeigt, schildert Max Lohr die ailtisraelitische Landwirtschaft und liefert damit einen Beitrag zur Palästinäkunde, wird ein alter jüdischer Bauernkalender als das älteste erhaltene hebräische Schriftstück herangezogen und endlich noch von Hermann die Landwirtschaft im heutigen Palästina kurz dargestellt. Alles das erforscht und erlesen mit einem staunenswerten Einblick und Ueberblick, mit einem Bienenfleiß und mit pädagogischem Erkennen aller Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Darüber hinaus weist Ehrmann in seinem „Arbeitsplan" noch auf eine Unmenge von Quellenschriften und illustrierender, schöngeistiger Literatur hin und gibt dem ernst arbeitenden jungen — aber auch dem erfahrenen — Lehrer Handreichen und Hinweise von höchstem Wert. — Natürlich fällt auch das Buch Rut in den Bereich der Festvorbereitung, und endlich vergißt Ehrmann auch nicht die volkstümlichen Festbräuche und die einschlägige Gesangsliteratur zu Lag baomer sowohl, wie zu Schawuot, denn in einer modernen Schule darf die Freude als Bildungsmittel nicht fehlen. Ehrmann verweist auf die Liedersammlungen von Kipnis, Idelsohn, Rosowsky, Schönberg, Jakobsohn-Jospe und viele andere.
Dieses Beispiel eines Ehrmannschen „Arbeitsplanes" mit seinem „Quellenneft" ist maßgebend auah für die anderen Pläne und Hefte. Sie alle zeigen die fruchtbaren Bemühungen ihres Schöpfers um eine jeweilige» Festvorbereitung, wie sie umfassender nicht geboten werden kann. Alles was der Lehret wissen soll und muß, denn er soll stets ü b e r dem Stoffe stehen,