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J ü d i s c Ire S c h u l'z e i t u n g

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Schweiz und der Tschechoslowakei, also in den Ländern, nach denen Studientransfer möglich ist. Aber in diesen gewährt es keine späteren Ausübungsmöglichkeiten. Nur Länder gerin­gerer Kultur bleiben als Betätigungsfeld für die hier Aus­gebildeten. . .

Was hier für die Medizin gesagt wurde, gilt für Chemie und Technik heute noch nicht in dieser Schärfe. Aber bis die, die heute mit dem Studium beginnen, fertig sind, werden auch in diesen Fächern die Verhältnisse die gleichen geworden sein, wenn nicht sofort eine weitere Beschränkung im Entschluß zum Studium platzgreift.

Es gibt ein paar akademische Berufe, deren seltene Ver­tretung unter den Juden heute als eine Lücke deutlich empfun­den wird. Ich denke an Agronomen, die sowohl für Palästina wie für überseeische Gruppensiedlungen gebraucht werden. Für die gleichen Zwecke werden einige Tierärzte ohne Schwierigkeiten. untergebracht werden können. Dennoch ist der Bedarf so gering, daß die durch einen solchen leisen Hin­weis etwa verursachte zusätzliche Hinwendung zu diesen Be­rufen den Bedarf bereits für viele Jahre decken wird. Bei der steigenden Bedeutung und Auswertung der Bodenschätze kann überall eine größere Zahl von Geologen absorbiert wer­den, als zur Zeit vorhanden ist. Auf diesem Gebiet ist aber die maximale Grenze der Produktionsausdehnung viel eher er­reicht und weniger dehnbar, als etwa auf die Gebiete der che­mischen Industrie. Doch ist auch diese nicht unwesentlich ab­hängig von einer konjunkturbedingten Periodizität; ein Nach­lassen der a.utarkiebedingten wirtschaftlichen Anspannung würde einen Rückgang der mannigfaltigen synthetischen Pro­dukte zugunsten der natürlichen zur. Folge haben und damit eine empfindliche Schrumpfung der chemischen Industrie über­all herbeiführen.

-Aus dieser Schilderung von Angebot und Nachfrage an jüdischen Studierenden ergibt sich unmittelbar, daß noch im­mer ziwiele studieren. Aber es ist nicht der Zweck dieser Zei­len, blindlings abzuschrecken. Es handelt sich vielmehr um das Prinzip, nach dem das Wagnis des Studiums unternommen wird. Nicht Konjunktur darf hier ins Gewicht fallen denn wenn die Entscheidungen nach ihr ausgerichtet werden, so er­folgt unvernünftige Flucht oder unvernünftige Ueberfüllung einzelner Fächer, wie wir es bisher in diesen vier Jahren er­lebt haben. Sondern einzig die Begabung darf den Ausschlag geben. Nur die starken Begabungen haben heute ein Recht zu studieren, nur das Drittel der Kräftigsten unter den 150 Abi­turienten, die sich Ostern zu entscheiden haben. Und diese werden sich auch in der Welt durchsetzen, wenn sie heute, sei es in Deutschland, sei es anderwärts, ihr Studium auf­nehmen und nicht viel nach Aussichten rechts xmd Sicherheiten links ausspähen, sondern nur nach der inneren Entwicklung ihrer Kräfte.

Reihenuntersuchungen an Schulkindern der Israelitischen Volksschule zu Dortmund in den Jahren 1937 und 1938

von Dr. med. Walther Kahn, Dortmund Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Erhebungen, Un­tersuchungen, Zusammenfassungen gleichviel weither Art, die sich mit der noch in Deutschland lebenden jüdischen Be­völkerung beschäftigen, dem größten Interesse weitester Kreise begegnen; denn solche Untersuchungen geben uns ein klares Zustandsbild der Gruppe von Menschen, einen Quer­schnitt durch den Personenkreis, der hierdurch erfaßt wird. Aber weit über das wissenschaftliche Interesse hinaus, wel­ches die Erfassung eines augenblicklichen Zustandes gibt, zei­tigen solche Untersuchungen auch Hinweise und Fingerzeige für unser Handeln, insofern als sie den Verantwortlichen zei­gen, wohin sie ihre besondere Aufmerksamkeit zu richten haben.

An einem konkreten Beispiel erläutert wird das Gesagte noch klarer werden. Die Reihenuntersuchungen an Schulkin­

dern der israelitischen Volksschule zu Dortmund sollten ein­mal ein Bild über den Zustand der Kinder ergeben. Das ge­wonnene Bild wurde vertieft und ergänzt durch fortlaufende Untersuchungen. Die erste Reihenuntersuchung wurde Anfang. Juli 1937 vorgenommen, die zweite Anfang März 1938. Durch diese Untersuchungen ist es nicht nur möglich, übler jeden* einzelnen Schüler ein Urteil abzugeben, sondern auch sich ein Gesamturtejl über die Jugendlichen dieser bestimmten Be­völkerungsschicht zu bilden.

Solche Untersuchungen sind aus mehreren Gründen von Bedeutung. Zunächst einmal können akute Schäden und Lei­den erfaßt und einer Behandlung zugeführt werden. Vor al­lem aber kann der Arzt auf Grund seiner Beobachtungen ver­anlassen, daß die Kinder gegebenenfalls einer vorbeugenden Behandlung unterworfen werden. Das ist bei jüdischen Ju­gendlichen besonders wichtig; denn weitaus der größte Teil von ihnen wird gezwungen sein, seine Zukunft im Ausland aufzubauen, sei es in Uebersee, sei es in Erez Jisrael, mei­stens aber in Ländern, die an die körperliche Leistungsfähig­keit große Anforderungen stellen. Die Untersuchung der äl­teren Schüler ergibt häufig schon wichtige Hinweise für die Berufsberatung.

Es wäre daher sehr zu wünschen, daß Schulreihenunter­suchungen in großem Ausmaße vorgenommen und die Ergeb­nisse den interessierten Kreisen zugänglich gemacht würden. Ich glaube, wir haben es hierdurch mit einfachen Mitteln in der Hand, manchem Jugendlichen zu helfen und ihm den Weg in die Zukunft ein wenig zu ebnen.

Bevor ich die Ergebnisse unserer Reihenuntersuchungen im einzelnen bespreche, möchte ich einige kurze Bemerkun­gen über ihre Technik mächen.

Es ist zweckmäßig, derartige Untersuchungen nur von wenigen Aerzten vornehmen zu lassen. Der größere Zeitauf­wand wird reichlich, durch die Einheitlichkeit des Unter­suchungsergebnisses wettgemacht. Schulreihenuntersiichun- gen werden möglichst morgens in der ersten Schulstunde vor­genommen. Dann sind die Schüler frisch und noch nicht durch den Unterricht abgespannt, wodurch 11. U. das Urteil des Arztes auch getrübt werden könnte. Oberkörper und Füße der Kinder müssen entkleidet werden. Ein Urteil nach dem allgemeinen Eindruck und der Durchblutung der sichtbaren Schleimhäute genügt keinesfalls. Wägung und Messung der Kinder kann durch eine zuverlässige Hilfskraft vor den Un­tersuchungen vorgenommen werden. Es ist aber zu fordern, daß diese an und für sich einfache Verrichtung einwandfrei ausgeführt wird. Die Untersuchungsergebnisse werden in Vor­drucke eingetragen, die knapp aber vollständig gehalten sein müssen.

Es wurden von der Schulreihenuntersuchung im Jahre 1937 291 Schüler und im Jahre 1938 269 Schüler erfaßt.

Ueber ihre Aufgliederung in Knaben und Mädchen und ihre Altersverteilung geben Tabelle 1 und Tabelle 2 Aufschluß.

Tabelle 1.

Jahr Anzahl Kn. M.

1937 291 163 128

1938 269 148 121

Tabelle 2. Kn. M. Jahr Alter von bis von bis

1937 5;11 14;2 6;0 14;0

1938 6;8 14;10 6;9 14;5

Man sieht, daß die Anzahl der Schüler in den acht Mona­ten, welche zwischen den beiden Untersuchungen liegen, ziem­lich stark zurückgegangen ist, wobei die Knaben wesentlich stärker als die Mädchen beteiligt sind. Bei der^Betrachtung der Altersverteilung fällt auf, daß eine Reihe von Knaben und Mädchen .das 14. Lebensjahr überschritten haben. Diese be­finden sich im allgemeinen im 9. Schuljahr.'

Es ist nicht uninteressant zu wissen, daß die Schute 1937 von 111 westiüdischen und 180 ostjüdischen Kindern besucht