Man könnte dies ein Korrelat des Monotheismus, nennen. Jesaja hat es verkündet, zweitausend Jahre haben es verwirklicht, so gut sie konnten, das Volk hat auch dafür geblutet, in Maimonides ist es eine persönliche Leistung, unter dem Bild von Leopold Zunz steht es als Bekenntnis in der Sprache unserer Zeit: echte Wissenschaft ist tatenzeugend. Für uns ist die Vertiefung, die Versachlichung der wissenschaftlichen Ergründung des Judentums eine der großen Notwendigkeiten unseres nationalen Lebens,
Der Zionismus hat, von konkreten Zielen und Gründungen in Anspruch genommen und theoretischen Erörterungen abgeneigt, dieser grundlegenden Frage, an der er im höchsten Grade interessiert wäre, anfänglich wenig und in den letzten Jahren, so weit ich sehe, gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Von nichtnationaler Seite sind in Deutschland während des Krieges einige Äußerungen erfolgt. Aus ihnen ergibt sich aber nur wieder zweierlei. Die Außenstehenden haben bei allem guten Willen zu viel Phantasie und zu wenig Kenntnis. Den Fachmännern hingegen genügt in der Regel und mit Recht die eigene Arbeit und sie können in die Gefahr der Befangenheit geraten, wenn sie zu einem solchen Thema das Wort ergreifen. In diese Kategorie gehören auch die lesenswerten Ausführungen von L El bogen „Neuorientierung unserer Wissenschaft**). Abgesehen von einigen anderen anfechtbaren Auffassungen behandelt er trotz seines Strebens nach Objektivität das Grundübel der ganzen Angelegenheit mit einer gewissen Schonung, die man menschlich würdigen kann, ohne sie als dem Gegenstande förderlich anzusehen. Die Ehrerbietung vor einer bedeutenden Persönlickeit verträgt sich doch wohl mit Rücksichtslosigkeit in der Sache.
David Kaufmann dürfte der erste gewesen sein, der eine Darstellung des Werdeganges der jüdischen Wissenschaft seit den Anfängen der historischen Kritik, also seit jetzt hundert Jahren gewünscht hat. Man muß dieses Verlangen wiederholen, bis es erfüllt wird. Die Aufgabe ist, wie manche andere bei uns, vielleicht nicht äußerlich glänzend, aber ihre Lösung wäre nützlich, auch nach der völkerpsychologischen Seite hin. Sie ist durchaus möglich; Geniatität wird nicht erfordert, sondern in erster Linie Vertrautheit mit dem Material, auch dem biographischen und Berücksichtigung des Entwicklungsganges der Geisteswissenschaften in Deutschland. Wer etwa im Stande ist, in letzterer Hinsicht Stichproben vorzunehmen, wird manchmal zu überraschenden Ergebnissen gelangen. In dem Bereich, der die allgemeinste geistige Geltung besitzt, in der -Wissenschaft ist der Einfluß der Umwelt ja etwas selbstverständliches. Man möchte sich entschuldigen, wenn man überhaupt auf ihn hinweist* Aber die rückschauende Betrachtung erkennt oft Dinge, die dem Auge der Vergangenheit verborgen geblieben sind. -So sieht man auch bei dem flüchtigsten Überblick über die
*) Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 62 (1918), 8! ff.
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