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Der Kuß.

gegebenen Kommentare zur Stelle p. 30: Es heißt: er küsse mich mit den Küssen seines Mundes: der Kuß auf den Mund übertrifft alle anderen, z. B. den Kuß auf Hand oder Schulter. Er gibt aber auch eine andere Erklärung: Der Mund hat mit der Schechina gesprochen ״von Mund zu Mund sprach ich mit ihm; im Kusse der Allmacht wurde die Tora verliehen und im Kusse auf den Mund nahm Gott Moses Seele . . . Der Mund, der all dieser Herrlichkeit gewürdigt wurde und sich so weit vergißt, das Verborgene zu küssen, wird bestraft, indem der Nachkommen Mund verschlossen bleibt.

Es hat mich zu ihrem Hause geführt,

Ich küßte die Steine der Treppe,

Die oft ihr kleiner Fuß berührt

Und ihres Kleides Schleppe. (Heine.)

Ähnliche Wendungen kennt auch die Agada. R. Josua b. Chananja küßt den Stein, auf dem R. Eliezer bei seinen Vorträgen zu sitzen pflegte. (Sch. r. 1, 3.) Die hungernden Töchter Jerusalems umarmen die Säulen (Pes. r. 26 f 130b). Die Türpfosten küßt die Liebe bei Theokrit (XXIII 17, 18) und Lucrez (de nat. rer. IV 1175).

Rab Acha lehrt: ein König verließ im Zorn seinen Palast, kehrte aber um, küßte die. Mauern, umarmte die Säulen des Palastes, weinte und sprach: leb wohl, oh mein Haus, leb wohl, oh mein Palast! Also kehrte die Herrlichkeit Gottes zum verlassenen Heiligtum zurück, küßte die Mauern, umarmte die Säulen und sprach: leb wohl, oh Haus, leb wohl, oh Palast! (Ziegler, Königsgleichnisse 271. Pesikta 115a, in erweiterter Darstellung Echa r. Einl. 25 p. 29 Buber. Jalk. II 257, 350, Jalk. Machiri 20a).

Von Karäern in Galizien berichtet Mieses (Jost IX Verzeichnis S. 93): jeder bückt sich und kniet beim Herein- kommen und Herausgehen, auch wird die Türe der Synagoge bei dieser Gelegenheit geküßt.