Bin hundertjähriger Gedenktag unserer Wissenschaft.

Von I. Elbogen in Berlin.

Organisation gehört zu den Lebensfragen jeder Wissenschaft. Will sie ihr Dasein nicht dem Zufall überlassen, sondern ihre Pflege durch die Geschlechter sichern, so muß sie Organe schaffen, die ihr Dauer verbürgen. In erster Reihe hat sie für Belehrung durch Wort und Schrift zu sorgen. Die mündliche Unterweisung ist so alt, wie das ״menschliche Wissen überhaupt; allerdings ist sie mit dem Nachteil verknüpft, daß sie immer nur einem kleinen Kreis zu Teil wird, und daß es schwer ist, das Wort des Lehrers in authen- tischer Form festzuhalten. Nicht viel jünger ist die Belehrung durch das geschriebene Wort, das unabhängig von Zeit und Raum zu wirken, in seinem vollen Segen freilich erst seit Entdeckung der Buchdruckerkunst sich zu entfalten vermag. Wesentlich ein Produkt der Neuzeit sind die periodischen Schriften, die mit der VervolL- kommnung der Technik und der Erringung der Freiheit für For- schung und Lehre sich während des letzten Jahrhunderts zu jener reichen Mannigfaltigkeit entwickelten, die durch die Wirtschaftsnot der Gegenwart nunmehr gefährdet oder gar zerstört ist.

Die Zeitschrift hat durch ihr häufiges Erscheinen, durch die Möglichkeit, zu wissenschaftlichen Problemen rasch Stellung zu nehmen, die Fragen nicht nur einseitig zu behandeln, sondern an derselben Stelle, an der eine Ansicht geäußert worden ist, die gegen- teilige Meinung zur Geltung zu bringen, durch die Möglichkeit, einen festen Stamm von Lesern zu gewinnen und für die Wissenschaft- liehe Methode zu erziehen, vor dem Buche mannigfache Vorzüge; sie ist darum mehr und mehr ein Hilfsmittel geworden, dessen alle Wissenschaften sich bedienen.

In jüdischen Kreisen ist der Wert der Zeitschrift früh erkannt worden 1 ; schon Moses Mendelssohns Jünger veröffentlichten 1783 die Monatsschrift, das spätere Jahrbuch ,,Ha Meassef". Allein wie der ganze Kreis, so gehörte auch der Inhalt dieser Zeitschrift der Aufklärung, nicht der Wissenschaft an. Ebensowenig haben die beiden Sulamith oder die Halbjahrsschrift Jedidja Wissenschaft- liehen Charakter. Einen solchen besaß erst die ,,Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums, deren erstes Heft vor gerade 100 Jahren, im März 1822, ausgegeben wurde.

Die ,,Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums" war das Organ des ״Vereins für Kultur und Wissenschaft

1 Vgl. Jew. Encyclopedia, Art. Periodicals, Bd. IX, S. 603.

Monatsschrift, 66. Jahrgang. ל