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heit der Juden •erklären konnte. ׳ Ich“halte es nicht für geraten, die Erörterung dieser Dinge ausschließlich dem V. Bande (Verhältnis zu.anderen Religionen) zu überlassen, sondern von vornherein dem — durch den apologetischen Zweck der Sammlung erklärlichen — Eindruck vorzubeugen, als hätte das Judentum stets den ungeteilten Beifall der Anderen erwarten können oder — wollen.
. Endlich hat der apologetische Gesichtspunkt auch die Auswahl der Zitate bestimmt. Für diese ist bezeichnend, daß der So har nicht mit einer einzigen Probe verwertet ist. Wenn man aber — gerade auf religiösem Gebiete —den Baum an den Früchten erkennen darf, so wird man sich doch daran erinnern müssen, daß die beliebtesten Sabbatlieder ( יד. דברן עלם. ירם וד. לישראל, לכד. מדי ) am Baum der Kabbala gereift sind. Auch von dem uns nächststehenden modernen Vertreter kabbalistischer Frömmigkeit, von Martin Buber, ist — bis auf ein paar Sätze gegen den Mittlergedanken IV '112 — nichts aufgenommen. Der Grund dieser Auswahl wird deutlich, wenn man die Tatsache hinzunimmt, daß auch die beiden christlichen Autoren völlig übergangen sind, denen die Eigenwerte des religiösen Lebens (in seinem Uebergreifen über das Ethische) besonders tief aufgegangen sind: Rudolf O 11 0 und Friedrich H e i 1 e r. Das erscheint auf den ersten Blick umso merkwürdiger, da die Einleitung IV 1 ff. offenbar mit Gedankengängen Ottos arbeitet. Aber auch diese Eigentümlichkeit ist vor allem aus der apologetischen ,Tendenz zu verstehen. Man will offensichtlich auch nach innen Apologetik treiben, also auch solche, denen die höchsten Werte der Religion nicht ver- stündlich sind, beim Judentum halten — und zieht sich nun auf die Linie des kleinsten Widerstandes zurück, beschränkt sich darauf, solche Züge des Judentums herauszuheben, die niemand als irgendwie ,,kulturwidrig 46 empfinden kann. Üeberdies hat die Wissenschaft — im Zusammenhänge mit den herrschenden philosophischen Tendenzen der vorigen Generation — die rationalen Formkräfte und Inhalte des Judentums weit besser erforscht als die irrationalen. So gibt man denn bereits auf den ersten Seiten unseres Werkes jene berühmte Gleichsetzung des ,,Heiligen 66 mit dem ,,Sittlichen 66 , wie sie namentlich unter Kantischem Einfluß üblich geworden ist, und zitiert als Kronzeugen für eine moralisierende und rationalisierende Auffassung des Judentums ausgerechnet den Kusari des Jehuda Halevi (I S. 20). Nun wird gewiß niemand ein kantisiertes Judentum durch ein ottonisiertes ersetzen wollen. Aber wer aus der Geschichte weiß, was selbst ein Rationalist wie Maimuni unter dem Ideal der Heiligkeit verstand (Rosin, Ethik des Mai- monides 122), und den Klang der Worte שבת קדש und etwa תשמיש״ קדושה nicht ganz aus dem Ohr verloren hat, wird ermessen, wie wenig die volle Tiefe jüdischer Frömmigkeit sich im Schema eines apologetischen Sammelwerks hat darstelien lassen.
Einen Hinweis auf die Schranken, die unserem Werke durch Zweck und Anlage gezogen sind, hätten wir um so lieber gesehen, da die Gefahr sehr nahe liegt, daß der unkundige, insbesondere der nichtjüdische Leser das hier gegebene Bild vom Judentum mit dem Judentume selbst ver- wechselt und aus dem Fehlen des religiös Wertvollsten in unserer Sammlung auf eine Lücke im , Judentum schließt, dadurch aber zu einer völlig falschen Beurteilung seines religiösen Gehaltes im Vergleich zu dem des Christentums, vor allem des Katholizismus, gelangt. Und auch der jüdische Leser wird sich bewußt sein müssen, daß die Forderungen, die hier unter Berufung auf Vertreter sehr verschiedener Richtungen veranschaulicht werden, in Wahrheit nicht mehr noch weniger als die — allen Richtungen gemeinsamen— Mindest- forderungen sind. Wird dies aber festgehalten, so wird das Werkzeug, das unsere besten Schmiede uns in die Hand gegeben, nicht nur als Schwert, sondern auch als Kelle dienen können. Denn auch diese Mindestforderungen einer Lebensführung in Reinheit und Redlichkeit, in Treue gegen sich und gegen andere, in Liebe zum Eigenen und vorurteilsfreier Würdigung des Fremden bei unmittelbarer Verbundenheit mit dem Urquell alles Guten ,bedeuten ein hohes Ideal, von dessen Verwirklichung wir alle sehr weit entfernt sind. Und nicht selten läßt der Kampf für die besondere Auffassung des Judentums die Hingabe an das Gemeinsame und Unerläßliche zurücktreten. Wenn unser. Quellenwerk daher das Augenmerk auf dies Gemeinsame lenkt, ohne dem weiter reichenden Blicke Grenzen ziehen zu wollen; so kann es