329

Besprechungen

Caspar!, D. Wilhelm: Die Gottesgemeinde vom Sinai und das nachmalige Volk Israel. Auseinandersetzungen mit Max Weber. (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, 27. Band, 1. Heft.) Gütersloh, C. Bertelsmann 1922, 172 Seiten.

Die vorliegenden Auseinandersetzungen mit Max Webers ,,Antikem Judentum verfolgen den doppelten Zweck, zu den Resultaten Webers kritisch Stellung zu nehmen und die von ihm aufgeworfenen Fragen in selbständiger Untersuchung zu behandeln. In gleicher Weise hat der Verfasser schon früher in mehreren Aufsätzen die von Weber gegebenen Anregungen zu verwerten gesucht. Wie in ihnen greift er auch in seinem Buche aus der Fülle der von Weber erörterten Probleme bestimmte Einzelfragen heraus. Das Hauptthema seines Buches sind die Beziehungen der israelitischen Religion zu dem Staat״ liehen Leben Israels und seinen Organisationsformen. Zur Klärung dieses Zusammenhanges sucht der Verfasser in erster Reihe festzustellen, welche der verschiedenen Organisationsformen in den älteren Phasen der israelitischen Geschichte der Träger der Ihvh-Verehrung war. Er entscheidet sich für die Sippe gegen das Haus und, wenigstens was die ursprünglichen Verhältnisse anlangt, auch gegen das Volk. Das Haus kann nach seiner Meinung nicht der ursprüngliche Träger der Ihvh״Religion sein, weil das häusliche Leben starke Spuren anderer Kultformen aufweist, an denen besonders die Frauen beteiligt sind. Das Volk scheidet darum aus, weil es keine ursprüngliche Gegebenheit, sondern Erzeugnis einer Entwicklung ist, die ihrerseits die religiöse Verbunden- heit Israels voraussetzt. Auch die Sippe besitzt als Träger des Ihvh-Glaubens nur relative Ursprünglichkeit. Das Entstehen einer neuen Religion ist nach der Meinung des Verfassers innerhalb eines bereits bestehenden Sippen- verbandes, der bereits seine feste religiöse Tradition hat, wenn auch nicht unmöglich, so doch unwahrscheinlich. Caspari nimmt darum an, daß die ur- sprünglichen. Träger der Ihvh-Religion die aus Aegypten geflohenen ״außer- halb fester Haushaltungen lebenden Elemente waren, die er in der Wüste in bereits familienmäßig organisierte Gruppen eindringen und in ihnen ihren neuen Glauben durchsetzen läßt. Der ״Kitt der so entstehenden Gemein- schaft ist der gemeinsame Glaube, der jetzt in den Sippen und Sippenverbänden seine Träger hat. Erst die dem Eindringen in Kanaan folgenden Kriege und der ihnen folgende Uebergang zur Ansässigkeit lassen allmählich das Volk ent- stehen. Die anregenden und interessanten Ausführungen des Verfassers sind in ihrem Ergebnis nicht überzeugend. In seiner Analyse der geschichtlich noch greifbaren Zustände ist der von ihm angenommene Gegensatz zwischen Haus und Sippe schwer vorstellbar. Haus und Sippe gehören zu eng zusammen, als daß zwischen ihnen ein religiöser Gegensatz bestehen könnte. Die Tat- sache, daß im Haus auch andere Kulte vorhanden sind, deren Bedeutung von Gaspari wohl überschätzt wird, schließt nicht aus, daß auch das häusliche Leben in Beziehung zur Ihvh-Religion steht. Der Opfercharakter der Haus- Schlachtungen, die in der Samuel-Erzählung bezeugten gemeinsamen Wall- fahrten der Familie und anderes lassen diese Beziehungen deutlich erkennen. Methodisch leidet die Analyse Casparis darunter, daß sie mit dem vieldeutigen Begriff ״Träger der Ihvh-Verehrung operiert, ohne die verschiedenen in ihm enthaltenen Möglichkeiten hinlänglich zu sondern. In dem Sinne ist weder Haus noch Sippe ״Träger des Ihvh-Glaubens, daß Ihvh seiner Bedeutung nach Haus- oder Sippengott wäre. Er begegnet uns von Anfang an nur als Gott der israelitischen Gesamtgemeinschaft. Im Sinne des Kultverbandes wiederum ist ebenfalls keine von beiden Gemeinschaften der exklusive Träger der israelitischen Religion. Die von Caspari für die kultische Bedeutung der Sippe angeführten Momente berechtigen keinesfalls dazu, sie als ״die Kult- Gemeinschaft anzusehen. In dem vagen und unbestimmten Sinne aber, daß ihre Angehörigen durch gemeinsame religiöse Ueberzeugung verbunden sind, können beide Gemeinschaften gleich sehr als Träger der israelitischen Religion gelten. In dieser Beziehung ist, wie gesagt, ein Gegensatz zwischen ihnen kaum vorstellbar. Auch die genetische Auffassung Casparis ist sehr anfecht-