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Gleiches nur bei einem Zehntel der Fall ist. Bei letzteren hatten eben die Zünfte die Juden seit Jahrhunderten vom Handwerk ausgeschlossen und die Aufnahme jüdischer Lehrlinge verweigert. Anders lagen die Verhältnisse in den früher polnischen Landesteilen, wo Zünfte gar nicht vorhanden oder doch nicht derart mit derart weitgehenden Rechten ausgestattet waren. Aber schon bevor Ostpreußen, Südpreußen und Neuschlesien durch die dritte Teilung Polens an Preußen fielen, betrieb nach dem Zeugnis Hoffmanns eine nicht ganz unbeträchtliche Zahl von Juden wirklich schon mannigfaltige Handwerke, nicht bloß als Kürschner, Posamentier, Schneider, Schuhmacher und Sattler, sondern auch als Schlosser, Schmiede, Maurer und Zimmerleute.

Der Erhebung Hoffmanns folgt eine staatliche im Jahre 1843, die folgende Ergebnisse zeitigte.

Von den 62 185 selbständigen jüdischen Gemeindemitgliedern entfielen allein 26 768 oder 43,1 v. H. auf das Handelsgewerbe, darunter auf Handlungs- gehilfen 5029 oder 8,1 v. H., die Gast־ und Schankwirtschaft ist mit 2898 oder 4,7 v. H. vertreten und ein Handwerk übten 12 056 oder 19,3 v. H. aus. Im weiten Abstand mit 6296 oder 10,1 v. H. folgt der Gesindedienst, der damals noch immer seine Bedeutung hatte. Ihm schließen sich an 2636 oder 4,2 v. H. die Tagelöhner. Verhältnismäßig groß war die Zahl der in der offenen oder geschlossenen Armenpflege Stehenden unter den Gemeindemitgliedern. 3,8 v. H. oder 2356 waren Arme oder Hilfsbedürftige. Einen freien Beruf als Aerzte, Lehrer, Gelehrte usw. übten 1666 oder 2,7 v. H. aller Selbständigen aus, 1687 gleichfalls 2,7 v. H. lebten von Renten und Pensionen. Die in der Landwirtschaft und im Gartenbau Beschäftigten machen aber 639 oder 1,0 v. H. aus. Die Gruppe ohne bestimmten Beruf umfaßte im ganzen Staat 3029 Per- sonen oder 4,9 v. H. Diesen Ergebnissen stellen wir die Resultate aus der Erhebung von 1852 gegenüber. Die Selbständigen des Handelsgewerbes sind im Jahre 1852 auf 36,3 v. H. gegenüber 35,0 im Jahre 1845 gestiegen. Das an zweiter Stelle stehende Handwerk zeigt einen mit dem Jahre 1843 völlig überein- stimmenden Anteil 13,5 v. H. Der Gesindeverdienst ist von 10,1 auf 9,1, die Tagelohnarbeit von 4,2 auf 3,8 v. H. herabgegangen, während der freie Beruf sowie die Gruppe der von Renten und Pensionen Lebenden von 2,7 auf je 2,8 v. H. nur unmerklich zugenommen haben.

Oertliche Differenzierungen in der damaligen jüdischen Berufsgliederung treten auf. So finden wir das Handelsgewerbe bei Einschluß der Gehilfen im Vergleich mit dem Durchschnitt 45,4 v. H. am häufigsten in der Provinz Sachsen mit 68,6, in Brandenburg ohne Berlin mit 67,7, in Pommern mit 65,7, in Ostpreußen mit 60,3 v. H. Das Handwerk ist relativ am stärksten mit 27,9 v. H. in der Provinz Posen vertreten, worauf wir schon anfangs hin- gewiesen haben, gegen 29,1 im Jahre 1843. Dafür weist aber in Posen der freie Beruf mit nur 1,5 gegen 2,8 v. H. im ganzen Staat den geringsten Ver- hältnissatz auf, ganz im Gegensatz zur Stadt Berlin, wo er auf 6,0 v. H. ansteigt. Noch schärfer tritt ein solcher Gegensatz in der Gruppe der Rentner und Pensionäre auf. In der Provinz Posen bilden sie 1,2, in der Stadt Beriin 12,0 v. H. Noch ein Gegensatz zwischen Berlin und dem Lande ist hierbei hervorzuheben. Die Zahl der jüdischen Gast- und Schankwirte, der Arbeiter und überhaupt der sozialen Unterschichten ist verhältnismäßig gering. In Schlesien dagegen erhebt sich das Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe mit 10,4 weit über den allgemeinen Durchschnitt von 4,7 v. H. im Gegensatz zu dem Westen des Landes, wo es in der Rheinprovinz nur mit 1,0, in Westfalen mit 1,2, in der Provinz Sachsen sogar nur mit 0,5 v. H. vertreten war. Dafür ist in den beiden westlichen Provinzen der Gesindedienst unter den Juden beträchtlich häufiger als im ganzen Staatsgebiet (9,1), in Westfalen mit 11,4, in der Rheinprovinz mit 14,0, aber auch in der Provinz Posen kommt er noch mit 11,5 v. H. häufig vor.

Aus Raummangel müssen wir mit diesen Mitteilungen aus dem Zahlen- reich Silbergleits schließen, behalten uns aber vor, bei Gelegenheit die Ergebnisse der letzten Berufszählung von 1925 zu besprechen. Julius Rothholz.

Leopold Blaustem: Das Gotteserlebnis in Hebbels Dramen. Berlin 1929. Verlag Reuther & Reichard.

Der Verfasser ist sich bewußt, daß das von ihm behandelte Problem kein Zentralproblem der Dramen Hebbels bedeutet. Dennoch hätte seine