Zur Geschichte des Buchdruckes und der Zensur bei den Juden in Polen 283
Sache vertraten. Auch Abraham Stern 1 , der Vorsitzende des Zensurkomitees, konnte nicht viel zur Milderung der Erschwerungen beitragen. Er war nicht mehr jung genug (geb. 1760), um sich viel mit Zensurangelegenheiten abgeben zu können, und nahm eine mehr dekorative Stellung ein; die eigentliche Zensurarbeit wurde von den Mitgliedern des Komitees ausgeübt. Außerdem wurde die Zensur- tätigkeit von der Regierungsbehörde, die jetzt in Rußland scharf gegen das jüdische Schrifttum vorzugehen begann, sorgfältig über- wacht.
Die von Nikolaus I. kurz nach seinem Regierungsantritt erlassene ziemlich strenge Zensurordnung für. hebräische Bücher 2 3 wurde in den 30 er Jahren ven Grund aus umgebaut. Dies stand im Zusammenhang mit der von der Regierung geplanten sogenannten Aufklärung der Juden (womit man eigentlich ihre ״religiös-moralische. Verbesserung“ bezwecken, sie vom ״unsinnigen Aberglauben des Talmuds“ befreien und sie auf ,,den Weg der Wahrheit“ führen wollte). Der Regierung standen die jüdischen Aufklärer zur Seite, mit deren Hilfe man die Verbreitung der Aufklärung unter den Juden durchzuführen gedachte. Es galt zunächst, den Kampf mit dem inzwischen stark verbreiteten Chassidismus aufzunehmen. Im Oktober 1831 hebt der Wilnaer Zensor und Aufklärer Wolf Tugend hold 8 in einem Schreiben an die Regierung die Schädlichkeit der größtenteils im zensurierten Bücher der Chassidim hervor und schlägt Maßnahmen zur Vernichtung dieser Werke vor 4 * * . Denselben Vorschlag macht auch 2 Jahre später der bekannte jüdische Aufklärer Isaak Ber Lebensohn, der weiterhin anregt, alle jüdischen Druckereien in den Orten, in denen keine Zensur da sei, zu schließen; die anderen seien zu verpachten und die Einkünfte zu- gunsten der jüdischen Schulen zu verwenden®. Das Resultat aller dieser Vorschläge war die Verordnung vom Jahre 1836, die die, Schließung aller
1 Über ihn vgl. Perezitoe, I, 226; Jewnin: Nachlath olamim, Warschau 1882, S. 21 f.
2 Levanda. Polnyj chronologiceskij sbornik zakonov i polozenij kasajuscichsja evreev, 1874, Nr. . 143.
3 1796—1864, stammt aus Dzialoszyce (Polen), ein jüngerer Bruder des Warschauer Zensors Jakob Tugendhold, dem er nach Breslau folgte, um ebenfalls in das St. Elisabeth-Gymnasium einzutreten. (In der Matrikel des Gymnasiums findet sich folgende Eintragung: 12 1813/14״. Sept. Wolf Tugendhold, geb. in Jaloszyc. Vater: Kaufmann; 17 Jahre, jüdisch,־־ vorher in Krakau unterrichtet, präsentiert per se ipsum, wohnhaft — Klasse III (pro forma), eingeführt 30. September).
4 Borovoj a. a. O., II, 1926, 9 ff.
6 Hierbei stellte er noch ein Register der schädlichen und nützlichen
jüdischen Bücher zu. (Vgl. Gessen in Perezitoe, III, 14; Borovoj, II, S. 11 f-).