Moses ben Maimons Persönlichkeit
von I. E1 b o g e n
Nicht von dem Gelehrten und dem Denker soll in diesem Aufsatz die Rede sein, sondern von dem Menschen. Wie in der jüdischen Literatur meist der Mann über seinem Werk vergessen worden ist, so ist es auch Moses ben Maimon ergangen; hinter der Wucht der Leistung ist die Größe der Persönlichkeit zurück- getreten. Graetz 1 hat mit feinem Takt der Behandlung von Mai- monides eine Charakteristik der Persönlichkeit vorausgeschickt, aber bei Dubnow 2 fehlt eine solche, und, was in Eppensteins Biographie 3 Persönlichkeit genannt ist, bezieht sich nur auf Einzelheiten seines Verhaltens zur jüdischen Tradition, während Yellin und Abrahams 4 bisweilen ein Licht auf die Seele ihres Helden fallen lassen. Verschuldet ist diese Betrachtungsweise durch die einseitige Beschäftigung mit den berühmten großen Werken des Meisters und die Vernachlässigung seiner kleinen Schriften und seines Briefwechsels.
I.
; In eine Stadt hoher Kultur und in eine Familie der Geistes- aristokratie wurde er hineingeboren. Sein Stammbaum 5 geht soweit zurück, wie wir überhaupt jüdisches Geistesleben in Spanien verfolgen können, und er legt allen seinen Vorfahren die Titel Chacham und Dajjan bei. Auch seinen Vater Maimon müssen wir uns als einen Gelehrten 6 von Ansehen mit weit ver- breitetem Ruf denken. Von Moses’ Jugend wissen wir nur, daß er seinen Vater als seinen Lehrer bezeichnet. Bis zur Wände-
1 Geschichte, Bd. VI 3 r S. 264 f.
2 Weltgeschichte IV, § 48—50 ־ .
3 In ״ Moses ben Maimon“, herausg. durch W. Bacher usw., Bd. II, 1914, S. 27.
4 Maimonides by David Yellin and 1 Israel Abrahams, Philadelphia 1903. Im Folgenden! ist manches ausführlicher zitiert, um auf weniger bekannte Maimonides-Literatur hinzu weisen.
5 Am Schluß des Mischna-Kommentars. In unsern Ausgaben fehlt ein Name, der nach Derenbourgs Ausgabe der Ordnung Toharot zu ergänzen ist.
6 Näheres bei Eppenstein^ S. 3 f.
w^jÄsschrift, 79. Jahrgang
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