Brief des R. Moses ben Maimon

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Schriften der Propheten. Aber selbst diesen Büchern folgen nur die einen, während andere sie verwerfen, auch unter uns Juden!. Wer nun nicht fähig ist, mein Werk zu schätzen, ist darum doch nicht unfähiger als derjenige, welcher die göttlichen Worte zu schätzen unfähig ist. Wollte sieh der Mensch aber in den Kopf setzen, über jeden, der den, Wahrheitscharakter des Wahren nicht begreifen will, sich zu ärgern! und zu schimpfen, so würde er all׳ seine Tage lang nur mit Kummer und Ärger zu tun haben und noch in der Nacht keine Ruhe finden!.

B . 4 Als vierten Grundsatz will 1 ich Dir 5 einige meiner Charakter״ eigentümlichkeiten anführen, wenn Du auch mit allen schon vertraut bist. Ich weiß, daß es selbst hier bei mir in der Stadt Leute gibt r die keinen Ruf in der Stadt haben, weder Rang noch Macht, die aber von Hochmut und Neid besessen sind. Sie beachten dieses große Werk nicht, haben es nie eingesehen, nur damit man nicht sage: ״Der hat das Werk von jenem benutzt, ist ihm also im Wissen unterlegen/' Sie teilen in dieser Beziehung die Ansicht der Menge und sind gegenüber der Zeit ״gleichwie der Blinde, der im! Dunkeln tappt". Wie kannst Du also 7 mein Sohn, eine derartige Rückständigkeit jemandem übelnehmen, der von Kindesbeinen an mit der Überzeugung aufwuchs,. daß es seinesgleichen in diesem Zeitalter nicht gebe, den überdies Alter, Würde, Abstammung und der Mangel an Sachver״ ständigen in jenem Himmelsstrich darin noch bekräftigen? Ein solcher ist darauf angewiesen, den! Seelen der Menschen diese unselige Eigenart ein״־ zuprägen, daß alle Menschen nach seinem Wort verlangen^ sei es nun sein Lehrvortrag an d'er Hochschule oder eine Titelverleihung durch ihn und all die übrigen Verkehrtheiten, die ihnen zur Natur geworden sind. Wie kannst Du, mein Sohn, Dir demnach vorstellen, daß ein solcher aus Wahr- heitsliebe dahin gelangen sollte, seine Unwissenheit einzugestehen und da״ mit seine und seines Vaterhauses Ehre aufzuheben? Das tut keiner seines״ gleichen, auch wenn er besser ist als er. Ja r ich bin überzeugt, daß im gleichen Maße wie mein Name dort bekannt wird, die Zwangslage ihn, seine Anhänger und alle, die sich vor den Menschen Gewicht beilegen wollen^, da״ zu bringen wird, mein Werk herabzusetzen und so zu tun, als ob sie zu erhaben seien, um es ansehen zu müssen, daß sie es aber kritiseren und behaupten werden, daß jeder von ihnen^ wenn er nur wollte, in kurzer Zeit ein besseres verfassen könnte. Und wenn ihn seine Verlegenheit um Argumente zur Verdächtigung meiner Gläubigkeit und meiner Handlungen veranlaßt, tut er auch das. Dies alles; mein Sohn 1 , kann mir keinen Schaden tun. Selbst wenn ich dabei wäre und es in meiner Gegenwart geschähe, würde ich doch 'weiter höflich reden und, je nach dem, schweigen oder antworten. Sein Verstoß gegen die Wahrheit ist ein weit schlimmeres

4 Zum Text vgl. die zahlreichen Bemerkungen bei Poznanski z. St.

5 Hier und im Folgenden bedient sich RMBM der ehrenden Anrede

״Eure Magnifizenz". In der Übersetzung ist der Einfachheit halber ״Du" gesetzt. .

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