Das Verhältnis Maimunis zur jüdischen Mystik.

Von Alexander Altmann.

In welchem Maße Maimuni sich der Mystik nähert, also derjenigen Geistesrichtung, die, vage gesprochen, gewissen seelischen Akten die Eignung zur unio mystica mit dem Gott- liehen zuschreibt, soll hier nicht Gegenstand der Untersuchung sein. Dieser allgemeinste Begriff der Mystik ist so weitmaschig 1 , daß er ohne Zweifel auch die Haltung des maimunischen Philo- sophierens zu decken vermag, wenn man bedenkt, daß für Mai- muni der Akt des metaphysischen Erkennens der einer Ver- bindung mit Gott vermittels des aktiven Intellekts ist. Hier soll vielmehr das Verhältnis Maimunis zu demjenigen jüdischen Schrifttum untersucht werden, das gegenüber dem halachisch- exegetischen sowie philosophisch-rationalen eine, zwar nicht genuin mystische, aber immer noch am treffendsten mit dem Terminus ״jüdische Mystik" zu bezeichnende, Größe sui generis darstellt.

Das Verhältnis der Kabbalisten zu Maimuni ist in der jüng- sten Zeit mehrfach untersucht worden. Scholem hat in seiner literarhistorischen Analyse der bekannten ״Bekehrungs"legende den Prozeß der Wandlung dargestellt, in dem die Beziehung der Kabbalisten zu Maimuni sich bewegt 2 . Horodetzki hat die

1 Trotz der Vieldeutigkeit des Phänomens dier Mystik ist versucht worden, ein identisches Grundgesetz der mystischen! Denkform nachzu- weisen. Vgl. Rudol f Otto, West-östliche Mystik, wo trotz Anerkennung der ״Mannigfaltigkeiten der Ausprägung'" die Einheitlichkeit der Grund- haltung aller Mystik behauptet wird. (S. 2ff.). Ebenso versucht Georg Mehlis, Die Mystik in der Fülle ihrer Erscheinungsformen in allen Zeiten und Kulturen, S. 22, eine einheitliche Wesensbestimmung z.u formulieren. Joseph Bern hart, Die philosophische Mystik des Mittelalters, 1922, S. 7, gesteht jedoch, daß eine Erwägung über das Verhältnis von Mystik und Philosophie ״wegen der Verschwommenheit und stetigen, Fortwandlung dieser beiden Begriffe" von vornherein auf den Abschluß in gültigen Sätzen verzichten müsse. Eine verhältnismäßig präzise Definition gibt zwar Hans Leisegang, RGG, IV 335, läßt aber trotz der geistesgeschichtlichen Interpretation der Mystik aus den Mysterien einen! die weitere Fortentwick- lung in die Definition einbeziehenden Spielraum''der Mannigfaltigkeit.

2 Tarbiz, Jahrg. VI, S. 334 ff.

Monatsschrift, 80 . Jahrgang

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