Religion und Existenzphilosophie.
Zum 60. Geburtstag meines Bruders Julius Lewkowitz (Berlin).
Von Albert Lewkowitz.
Haben wir in dem Aufsatz: Vom Sinn des Seins 1 zu zeigen gesucht, wie die Existenzphilosophie Heideggers zur idea- iistischen und religiösen Weltanschauung irrt Gegensatz steht, so ist es nunmehr unsere Aufgabe darzulegen, wie Jaspers 2 gleichfalls vom Boden der Existenzphilosophie aus ein positives Verhältnis zur Religionsphilosophie zu gewinnen sich bemüht.
Philosophie ist für Jaspers so wie für Heidegger Frage nach dem Sein. Nicht in dem Sinne der Frage nach dem Sein des empirisch in Zeit und Raum Wirklichen, oder des Seins der idealen Gegenstände wie z. B. der mathematischen Objekte. Auch geht die philosophische Frage nach dem Sein nicht auf das Ich als das Objekt der psychologischen Forschung oder auf das An-sich-sein, das der Welt der Erscheinung zugrunde liegend gedacht wird, oder auf das Bewußtsein überhaupt, das die Grundlage aller allgemein-gültigen Erkenntnis ist. Die philo- sophische Frage nach dem Sein ist auf das D as e in gerichtet, auf Existenz. Philosophie ist Klärung der Existenz, d. i. der Bedeutung menschlichen Seins.
Existenz ist, was nie Objekt wird, Ursprung, aus dem ich denke und handle. ״Aus dunklem Beginn trat diese Wirklich- keit in die Geschichte ein, aber im philosophischen Gedanken war nur ein Ahnen von dem, was dann durch Kierkegaard in diesem Wort für uns geschichtlich verbindlichen Gehalt der Aussage bekam/" (Jaspers: Philosophie Bd. I. S. 15.)
Wo ich aufhöre, mich psychologisch zu betrachten, und doch nicht in naiver Unbewußtheit handle, sondern aus der Positivität einer mein eigenes Sein begründenden Gewißheit, dort entscheide ich, was ich bin. Ich kenne ein Angesprochen- werden, auf das ich als ich selbst innerlich antworte durch Ver- wirklichung meines Seins. Ich erfahre mich selbst nicht als iso- liertes Wesen, sondern in menschlicher Gemeinschaft. In voller
1 Oben S. 184 ff.
2 Karl Jaspers: Philosophie Bd. I—III, Berlin 1932.
Monatsschrift, 80 . Jahrgang