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Licht und Schatten.
drängen sich Schatten zwischen das als Wahrheit Erkannte und das zu Bewahrheitende! Scheint eS nicht, als wolle die sogenannte Judenfrage noch lange Problem bleiben und als ob-durch die, Gesetze und Gesetzgebende uinhüllenden Schatten ihm eine höhere Stimme zurufe, daß er um so heiliger das innere Licht bewahre? Wir wollen ans diese Stimme mit vollem Ohre lauschen; und ״an das Warten ist der Jude gewöhnt", sagt ein langjähriges Sprüchwort.
Unser Weg wird uns bei einer Rückschau auf das nun be- endigte Jahr durch Licht und Schatten fuhren. Was es uns brachte? Ein Jahr ist in der Geschickte der Völker ein kurzer, sehr beschränkter Raum: der über Mensckheit und Geschichte waltende Geist umfaßt Jahrtausende mit einem Blicke, die Ge- schichte selbst rückt jedoch nur allmälig, dem menschlichen Auge kaum sichtbar Hör, und cs kann Werth und Lebensfähigkeit des Fortschrittes nur nach größeren Zeiträumen, etwa nach Menschen- altern, bemeffen werden. Hingegen läßt die Wahrnehmung und Deurtheiluug des !Rückschrittes, wie jede Störung eines stetigen Ganges, nicht lange auf sich warten; er ist ein Eingriff in den von der Gottheit der Entwickelung des Menschen Vorgesetzten • Plan. Einen solchen Rückschritt hinsichtlich der Juden müssen wir in Oesterreich beklagen. Dieser Staat hat wahrlich nickt Ursache, au der Lohalität seiner jüdischen Einwohner zu zweifeln, die Mehrheit hat in Len letzten verhängnißvolle» Bewegnngs- fahren glänzende Beweise der aufopferndsten Anhänglichkeit an das Herrscherhaus und das Gesetz gegeben, und welche Bahn drohet die neuere Legislatur gegen sie-zu betreten! Ein lange anhaltendes Provisorium verbietet den Juden den Erwerb von Grundbesitz, und geht in mancher Hinsicht sogar noch hinter die vormärzlichen Prohibitivgesetze zurück. Hat der Staat in der Thal in dem kurzen Zeiträume von drei bis vier Jahren, in welchem eine liberalere Gesetzgebung hinsichtlich der Juden wal- tcte, 'Erfahrungen gemacht, die ihn zu diesem harten, eine Lcträcht- liche Anzahl von SraatSmitgliedern verletzenden und bceinträch- tigendcn Provisorium drängten? Oder haben sich ihm etwa aus den langjährigen Erfahrungen anderer Staaten Beweise ergeben, daß der den Juden gestattete Gütererwerb Verarmung des Landes und seiner christlichen Bewohner herbciführe? Oesterreich, das in allen Zweigen der Staatsverwaltung eine Regeneration beab- sichtigt, die zu einem lebendigen Jneinandergreifen aller Theile