Zw Geschichte und Beurteilung der Juden Tom XV. bis XIX. Jahrhundert.
Von Heinricht Rei&enlieimer.
Karoline Herder, die großzügige und liebreiche Frau, schrieb im Jahre 1800 an Gleim das folgende von ihr er- sonnene Märchen * 1 ).
»An die Himmelsthür kam einmal ein Mann und wollte eingelassen werden. Petrus sprach : wer bist du ? er antwortete: ich bin ein Römisch-Katolischer, von der allein seligmachenden Religion. Petrus sprach : Setze dich, und warte. Darauf kam ein zweiter, klopfte an die Thür, um eingelassen zu werden; Petrus sprach: wer bist du ? ich bin ein Lutheraner, von der allein seligmachenden Religion der Protestanten. Petrus sprach: Setze dich und warte. Dann kam ein dritter und klopfte an; Petrus: wer bist du? ich bin ein Calvinist, von der allein seligmachen- den Religion der Reformirten. Petrus sprach: Setze dich und warte. Dann sahen die drei Wartenden sich einander gewaltig an — es stürmte und war übles Wetter; sie froren; die Zeit wurde ihnen lang, sie gähnten — da san- gen sie das lied miteinander »Wir glauben all* an einen Gott«. Hierauf schloß Petrus die Thüre auf und sprach: Gehet ein, zu des Himmels Freuden.«
Zum Teile nach einem im Jahre 1904 nicht lang® nach der Hundert jahrgedächtnisfeier für Herder, gehaltenen Vortrage.
1) Ungedruckte Briefe Herders und seiner Gattin an Gleim. Von J. Pawel. Zeitschrift für deutsche Philologie, 25. Bd. (1893) S. 57.
Monatsschrift. 68, Jahrgang. 1