Besprechungen.

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zug des Judentums von Haus aus universalistisch ist, beweist auch die bei allen Erzvätern wiederholte Verheißung des Segens für alle Ge- schlechter der Erde, beweist auch der Anfang der Tora, mit dem weder Stade noch Wellhausen etwas anzufangen wissen, dessen Be- deutung aber Ben Asai feinsinnig erklärt: die Worte: »Das ist das Buch von der Entstehung des Menschen«, sind das größte Prinzip in der Tora, das älteste und wirksamste Plaidoyer für die Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen Diesen Anschauungen entsprechen die unerschöpflichen Verheißungen aller Propheten, die nie so ge- sprochen hätten, wenn sie nicht auf Verständnis bei ihren Hörern rechnen konnten. Universalismus trotz der sorgsamen Pflege des Nationalen, das lehrt das Gebet Salomos, die Sabbatfeier, die Fremdengesetzgebung wird ja der Fremde stets vor der einhei- mischen Waise und WiHve erwähnt. Der christliche Universalis- mus beschränkt nach dem athanasischen Symbolum das Heil auf die, die an dem katholischen Glauben festhalten, während nach der jüdi- sehen Lehre »Gott die Sonne Israel und den Völkern scheinen läßt.« Es ist ein starkes Stück, angesichts so offenkundiger Tatsachen zu behaupten »die Nächstenliebe sei das große Gebot des Christen- tamse. (Paulsen). Freilich hindert diese Nächstenliebe den Urheber dieses Ausspruchs nicht, dem Juden jeden Anspruch auf Berück- sichtigung im Staatsleben zu versagen, wenn er an irgend einem religiösen Brauche, sei es auch einer bestimmten Verstümmelung ides Leibes oder einer besonderen Form der Tötung der Schlachttiere, fest- zuhalten gedenke. Das Verhältnis zwischen Gott und dem AAenschen in der jüdischen Religion behandelt das folgende Kapitel. Bekannt- lieh soll erst das Christentum Gottes Vaterliebe entdeckt haben, das Judentum lehre allenfalls eine partikularistische Vaterliebe Gottes zum auserwählten Volke. Schon der stark ausgeprägte Familiensinn der Juden läßt voraussetzen, daß alle Bezeichnungen für das Verhältnis liebevoller Familienmitglieder zu einander auf das Verhältnis zwischen Gott und Menschen Anwendung gefunden haben. Und so ist es auch in Wahrheit. Speziell Gott als Vater ist weder Moses,! noch den Propheten, noch den späteren Lehrern fremd. Nur haben die Juden sich gehütet, dies in ein festes System zu. bringen. Das Christentum ist hierin ein Opfer der hellenistischen Systematik geworden, deren Frucht auch der Trinitätsglaube ist, der zum mindesten die Einheit des Goftesglaubens verschleiert und mystischer Spekulation den Weg bahnt. »Unser Vater im Himmel« bezeichnet am klarsten das Ver- haltnis des Juden zu seinem Gotte, der ihm nicht die bekannte »scheue, zitternde Angst«, wohl aber Ehrfurcht und Vertrauen in sein gerech- tes Walten einflößt. Überhaupt ist gerade dieses im Bild der Familie