Hermann Cohen.

Von Albert Lewkowitz.

Es steht außer Zweifel, daß die Emanzipation, wie sie das westeuropäische Judentum aus geistiger, wirtschaftlicher und politischer Einengung und Bedrückung befreit hat, so andererseits den Fortbestand des West-Judentums empfindlich bedroht Denn in dem Grade, als der Anschluß an das europäische Kulturleben innerlich und äußerlich sich vollzog, verlor der soziale Zusammen­hang des Judentums seine Stärke und entwickelte sich seine Reduktion auf das geschichtliche und religiöse Bewußtsein der Glaubensgemeinschaft. Die breitere und intensivere Verflechtung mit dem Wirtschafts- und Geistesleben, den nationalen und politischen Schicksalen und Kämpfen der die Juden als Bürger aufnehmenden Staaten schwächte das jüdische Bewußtsein um so mehr, als Staat und Gesellschaft mehr oder weniger offen die Auflösung des Judentums als Bedingung oder Wirkung der Emanzipation erstrebten, Geschichte und Religion der Juden keine kulturelle Anerkennung oder Förderung fanden, so daß die Zu­gehörigkeit zum Judentum nur zu oft als Schranke, selten in ihrem Kulturwert anerkannt wurde. Es ist ein Ruhmeszeugnis für die Treue, insbesondere des deutschen Judentums, daß es aus eigener Kraft tat, was Staat und Gesellschaft geflissentlich vermieden, auf dem Grunde einer wissenschaftlichen Erkenntnis des Judentums die geistige Auseinandersetzung zwischen Judentum und europäischer Kultur zu vollziehen und ein lebendiges Bewußtsein von dem Wahrheitsgehalt der jüdischen Religion und dem heroischen Charakter der jüdischen Geschichte in seinen Bekennern zu erzeugen.

Einer der bedeutendsten und reinsten Vertreter des deutschen Judentums, seiner wissenschaftlichen Energie und religiösen Treue war Hermann Cohen. In ihm verehrt das deutsche Judentum

Monatsschrift, 62. Jahrgang. t