Die Spruch-Verse über Sebulon

Von Eugen Israel Täubler

Unter den Sprüchen Jaqobs Gen 49, die in ihrem sachlichen und poetischen Gehalt sehr verschieden sind, macht keiner einen so matten und inhaltslosen Eindruck wie der über Sebulon, keiner einen poetisch reineren, als der über Naphtali. Der eine scheint nur Angaben über die Sitze des Stammes zu enthalten, in dem anderen wird im Bilde einer im Waldgebirge mit ihren Jungen frei umherschweifenden Hinde der Zauber der Natur wach. Der Stamm ist im Bilde seines Landes gesehen; das Bild ist gesehen, nicht ersonnen, und nichts ist hinzugetan, was mit Lob, Erinne- rung, Verheißung die Unmittelbarkeit des Eindrucks schwächen könnte.

Man kann die anderen Sprüche im ganzen nach dem Maße ihres geschichtlichen Gehalts abstufen. In zweien werden Zu- stände der Gegenwart, die bekannt sind, mit Andeutungen, die ihre Entstehung begründen sollen, berührt. Rüben wird an seine Schandtat erinnert; von selbst liegt in der Tat der Fluch, der dem Erstgeborenen das Vorrecht der Erstgeburt nimmt und zur Zeit des Spruches jedem zeigte, warum der Stamm in der Auf- lösung begriffen ist. Ebenso machte die Anspielung auf die Frevel- tat von Sichern jedem das Schicksal von Simeon und Lewi ver- stündlich. Der Spruch über Juda ist voller als alle anderen, er enthält in schönen Bildern den Preis des von Rüben auf Juda übergegangenen Vorrangs, die Erinnerung an seine geschichtliche Bedeutung und die Verheißung der messianischen Führerschaft. Ihm steht an Betontheit und Ausführlichkeit der Spruch über die Josephstämme zur Seite, geschichtliche Erinnerung an sieg- reiche Kämpfe ist in ihm mit Segnungen verbunden. Bildhaft klar ist der Spruch über Benjamin, den kriegerischen Stamm, den beutesüchtigen Wolf. In anderen Sprüchen gelingt es dem Spruch- dichter in seinem Sinne die Lebensart des Stammes etymo-