halachisch-exegetischen Sammlungen während der Taiinai'm-Periode. 167

der Lage, von vorne herein den Entwickelungsgang, den diese Geistesthätigkeit nehmen wird, annäherungsweise zu bestimmen. Man braucht aber nur seine Aufmerksamkeit auf einige der zahlreichen Halachahverhandlnngen zu richten, und man gewahrt die damalige Schulthätigkeit in ihren wesentlichsten Zügen gezeichnet. Das Bild, das die gedachten Partien von der Schul- thätigkeit unmittelbar nach der synodalen Zeit entwerfen, ist ungefähr Folgendes. Die Schulhäupter oder Lehrer Heilen aus der Grundsammlung, auf der Synode zu Stande gekommen, allgemein gültige sowohl als ursprünglich streitige, doch im Laufe der Zeit zum Abschluß erhobene Halachoth als objektive Traditio- nen mit. Bei der Mittheilung dieser Halachahgattung sind die Lehrer nur unselbstständige Ueberlieferungsorgane. Hingegen nimmt die Tradirung einer andern Halachahgattung ihre volle Geistesthätigkeit in Anspruch. Wie sich denken läßt, befand sich unter den allgemein gültigen Halachoth, d. h. unter den Hala- choth, die ihre Basis, b. z. w. ihre Berechtigung entweder im Bibelworte oder im praktischen Leben oder endlich in der münd- lichen Ueberlieferung hatten, eine große, wenn nicht die größte Anzahl solcher, die keine feste abgerundete Gestalt darboten. Eben in der Abrundung und Feststellung der flüssigen und schwan- kenden Halachoth liegt der Schwerpunkt der tanna'i'tischen Lehr- thätigkeit. Von der vorhandenen Basis ausgehend, gelangt man, vermittelst Exegese ( ת״ל ) und logischer Folgerungen ( ודין הוא ) zunächst zur Begründung des Ausgangspunktes und dann zur Ermittlung uud Feststellung der implicite in denselben liegenden Keimpunkte. Die Reihenfolge der behandelten Gegenstände ist eine zufällige; die Verhandlungen folgen nicht einem festen Programme. Die Jünger prägen diese, mitunter durch eingestreute Einwürfe und deren Beseitigung sehr weitläufige Discussionen ihrem Gedächtnisse ein, die sie dann weiter mittheilen. Dieses in allgemeinen Zügen entworfene Bild ist ein treuer Spiegel jener Geistesthätigkeit, die jene unglaublich reiche Produktivität ent- wickelt hat, die den Inhalt des tannaitischen Schriftthums ausmacht.

Ist unter diesen Verhältnissen die Behauptung gewagt oder gehört viel dazu, einzusehen, daß die Bedingungen einer treuen und genauen Fortüberlieferuug immer mehr schwanden, je nach-