Jfornack’s Vorlesungen über das Wesen des Christenthums.
Ton Dr. Leo Bäek.
Ein Buch von Adolf Harnack*) wird ein jeder, der so viel Wissenschaft besitzt, um Achtung vor der Wissenschaft hegen zu können, mit Respect in die Hand nehmen. Dieses Gefühl der Ehrerbietung wird auch die erste unwillkürliche Kritik des Werkes sein, zumal einer Schrift gegenüber, die über die geschichtlichen Grundlagen und den religiösen Inhalt des Christenthums Rechenschaft zu geben verspricht/ 1 Schon die Grösse des Gegenstandes erzwingt sich diese Empfindung.
Leider drängt sich bei der Lectüre, bei der wieder- holten in immer höherem Masse, das Bedauern auf, einer Atopie, einem Widerspruch zwischen Benennung und Inhalt, gegenüberzustehen. Der absichtsvolle Plan und die methodi- sehe Ausführung stehen in scharfem Gegensatz zu einander : ein Werk von rein apologetischem Gepräge tritt mit dem Anspruch, reine Geschichte zu bieten, vor uns hin. Aus- drücklich wird zwar die apologetische Tendenz abgelehnt und der historische Charakter hervorgöhoben. Das Yorwort wie die erste Yorlesung betont es entschieden : ״Was ist Christentbum ? — lediglich im historischen Sinn wollen wir diese Frage zu beantworten versuchen, d. h. mit den Mitteln der ge- schichtlichen Wissenschaft und mit der Lebenserfahrung, die aus erlebter Geschichte erworben ist. Damit ist die apologe- tische und die religionsphilosophische Betrachtung ausge- schlossen. 44 (S. 4) Aber das bleibt ein blosses Ideal, dessen Glanzes sich der Leser freuen mag.
*) Das W63011 des Christeuthuriis. Sechzehn Vorlesungen vor Stu- dierenden aller Facultäten im Winter-Semester 1899/1900 an der Uni- versität Berlin gehalten von Adolf Harnack, Leipzig. J, C. HinrDhs’sc he Buchhandlung, 1900.
Monatsschrift, 45, Jahrgang.
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