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Zwei pchir über Das , Wesen Des JnDentnms.
Von R. Urtoaeh.
Unter den Schriften der Gesellschaft zur För- derung der Wissenschaft des Judentums 1 ) und als erster Band der zweiten Serie der von Leo Berg heraus- gegebenen Kulturprobleme der Gegenwart 2 ) sind zwei Arbeiten unter gleichem Titel erschienen in der glei- chen Absicht, das Wesen des Judentums zu erforschen, und doch so grundverschieden in der Tendenz, von der gleichen Erkenntnis —der hohen Bedeutung der Ethik für den jüdischen Glauben — zu Folgerungen kommend, so grundverschieden, wie offenbar der Bildungsgang ihrer Urheber war. Der eine, ein »moderner Rabbiner«, wie ihn Fromer spöttisch in der letzten seiner Anmerkungen nennt, ein Mann, dem von Anbeginn an alle Quellen der Bildung reichlich flössen, dem alle Schätze der Wissenschaft zu- gänglich waren, der, mitten in der Kultur stehend, doch ein Jude aus Überzeugung ist, seine Religion mit heißem Feuereifer liebt und an ihre Mission glaubt, der andre, ein Ghettokind, wie er sich selbst schildert, von der Kruste, die nach seiner Meinung der Talmud um seine Anhänger zieht, so unempfindlich gemacht, daß ihm, selbst als er herangewachsen äst, die »Pätsch« der Schkuzim zwar schmerzen, aber dennoch selbstverständlich erscheinen, weil »man in Golus ist 3 )«. Seine einzige geistige Nahrung bietet ihm der Talmud, der ihm später, als die Zivilisation
') Bäck, Dr. Leo, Das Wesen des Judentums (Berlin 1905, Verlag von Louis Lamm, vorm. Nathansen & Lamm). 4, 168 S., 8.
a ) Fromer, Dr. J. (Elias Jakob), Das Wesen des Judentums (Höpeden & Merzyn. Berlin-Leipzig-Paris 1905). VI1II, 184 S., 8.
3 ) Fromer, S. 5.
Monatsschrift, 50. Jahrgang.
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