Abraham
von König ödipus, der in Unwissenheit seine eigene Mutter zur Gemahlin nimmt, sich, als er seinen Irrtum erfährt, selbst des Augenlichtes beraubt and als ein Gezeichneter ruhelos vor der Strafe der Gotter umherirrt. Das Erschütternde aber darin ist für uns der finstere Wahn, der diesen tragischen Konflikt erzeugen konnte. In biblischem Geiste wäre eine solche Tragödie unmöglich, denn ihm ist todeswürdig nur eine wissentliche Verschuldung, und über dem starren Gesetz, das sich wie eine unvernünftigte Naturmacht rächt, kann ein noch höheres Gebot stehen, das mit jenem nicht in Widerstreit geraten kann, da es bereits von demselben Gesetzgeber übergeordnet worden ist Und mehr als der Frieden, den ödipus schließlich im Hain der Eumeniden findet, versöhnt uns, daß aus der entsetzlichen Verbindung die beiden herrlichsten Frauengestalten des griechischen Altertums entsproßten: das Schwesternpaar Antigone und Ismene.
8a. Noch ein Mal müssen wir uns gedulden, bevor Isaak geboren wird. Abraham zieht nach Gerar, wo Abimelech, der König der Philister, Sara an sich nimmt, sie aber, von Gott gewarnt, reuig zurückgibt Die Verzögerung wäre um so verdrießlicher, wenn, wie seit dem Entstehen der Pentateuchkritik behauptet wird, dieses Kapitel (20) nur eine schriftstellerische Variante zu dem früheren Erlebnis in Ägypten ist. Nächst dem Wechsel der Gottesnamen gelten solche angeblichen Wiederholungen oder Dubletten als Hauptmerkmal der Quellenscheidung in Pentateuch. Dieselbe Begebenheit war in verschiedenen Quellenschriften auf verschiedene Weise erzählt worden, und die Redaktion hat den einen Bericht wie den anderen aufgenommen. Wie hinfällig dieses Argument sein kann, mag folgendes Beispiel zeigen: Im vierten Buche wird erzählt, wie Israel von Edom die Erlaubnis zum Durchzuge erbat, und im nächsten Kapitel dasselbe von Sihon, dem König der Emoriter. In beiden Erzählungen dieselbe Situation, dieselben Reden. Man sendet Boten, die andere Seite weigert sich, die Israeliten versprechen, daß sie nichts beschädigen, daß sie sogar das Wasser bezahlen wollen, jene bleiben bei der Weigerung. Andererseils zeigen die beiden Berichte doch zahlreiche Varianten: An Edom schickt Mose die Boten, an Sihon Israel; die Botschaft an Edom ist länger, an Edom wird zweimal gesandt, an Sihon nur einmal u. dgl. m. Und doch ist noch niemandem eingefallen, von Dubletten zu reden und Sihon für einen Abklatsch von Edom zu erklären oder umgekehrt Warum nicht? Weil es eben wirklich diese verschiedenen Völker gab und sich dasselbe bei jedem von ihnen zugetragen haben kann. Ganz ebenso kann sich derselbe Vorfall bei zwei Erz-
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