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kühnen Jüngling recht zu geben, während die Eltern durch eine enge Tradition gefesselt bleiben.

In diesem Buche hat Jehouda das jüdische Problem unter einem eigenartigen Licht be­trachtet. Er sieht die schönen Eigenschaften derjenigen, die die göttlichen Vorschriften im jüdischen Hause bewahren. Er sieht aber auch und unterstreicht unsere Fehler: die Liebe zum falschen Luxus, den Hochmut, die Art, wie wir oft durch äußere Zeichen ein Liebes­werk, bekunden . . Das Buch ist voll mora­lischer Anweisungen für die Gegenwart.

InM i r i a m", dem Buche, das vor einigen Monaten bei Grasset erschienen ist, finden wir denselben Helden, David. Es han­delt sich hier nicht um ein rein jüdisches Thema; man bedauert sogar, daß Jehouda diese Novelle in dieTragödie Is­raels" einverleibt hat. Er gibt uns die Geschichte einer Krankheit, einer beginnenden Tuberkulose. Es handelt sich jedoch niebt um die naturalistische Schilderung eines Mir- beau, sondern um die philosophische Er­klärung der Krankheit nach kosmischen Theo­rien. David ist krank geworden, weil das Leben, das er geführt hat, nicht zu seiner tiefsten Natur paßte. Er hat seine uralten Triebe vergessen. Er kann erst genesen, wenn Miriam, die Tochter eines' alten Rab­biners, ihm helfen wird, die Notwendigkeit seines jüdischen Lebens zu erkennen. Die Krankheit ist ein Glück, wenn der Kranke durch sie seinen wahren Weg finden kann.

Die Theorie des Verfassers erklärt sich leicht: die Krankheit existiert überhaupt nicht; die Tuberkulose ist bloß eine Unordnung. Darüber wollen wir nicht disputieren. Es genügt uns, ddß in diesem Buche Jehouda über das Judentum schöne und wahre Sätze geschrieben hat. Er denkt an die Pflicht der jüdischen Jugend und bedauert mit Weh­mut, daßdas Volk sein Schicksal verlernt hat", und daßder jüdische Formalismus die Seele Israels wie mit einem dicken Staub ver­deckt und den Geist von Moses und den Pro­pheten vernichtet".

Durch seinen aufrichtig festen Idealismus, "durch sein sicheres Urteil, durch die Klarheit seiner Ideen erscheint uns Josue Jehouda als Wegbereiter für die jüdische Jugend des zwan­zigsten Jahrhunderts.

Raymond-Raoul Lambert.

Rudolf Kaulla: Der Liberalis­mus und die deutschen Juden. Das Judentum als konserva­tives Element. 100 S. Verlag Duncker & Humblot, München und Leipzig 1928. Geb. M 4-8o. Ein Buch, das in einer dankenswerten Ab­sicht geschrieben ist, und dem man trotz der Richtigkeit der Endthese und trotzdem man mit manchem durchaus einverstanden sein kann, mit starken Bedenken und teilweise ablehnender Kritik gegenüberstehen muß. Ziel und Wille des Verfassers ist, zu sagen, daß das Judentum als Religion und die Juden als Träger ihrer religiösen Idee ausgesprochen konservativ seien, ja im Gefüge des heutigen Europa das konservativste Gebilde seien. Daß sie im Parteiengefüge des heutigen Deutsch­land in der Regel innerhalb der Linksparteien sich politisch betätigen, habe seinen Grund in der Tatsache, daß sie im wesentlichen nur bei diesen den Schutz ihrer staatsbürger­lichen Rechte finden, daß die rechtsstehenden Parteien mehr oder minder offen antisemitisch eingestellt seien. Im Anschluß daran führt er aus, w-ie falsch es von den Konservativen sei, die Juden abzustoßen; die seelische Hal­tung der Juden habe einen ausgesprochen konservativen Charakter, und deshalb müßten die Konservativen sie vielmehr an sich fesseln, sie hätten an ihnen die stärksten und sichersten Bundesgenossen. In der Tat seien ja auch in anderen Ländern die kon­servativen Parteien keineswegs mit dem Anti­semitismus verbündet, und dort seien daher auch die Juden politisch zumeist konservativ tätig. Es wird, so führt er weiter aus, für die Konservativen selbst einmal verhängnisvoll werden, daß sie eine solch enge Verbindung mit dem Antisemitismus eingingen, es mag vielleicht für den Augenblick einen schein­baren Vorteil bedeuten, dadurch Stimmen zu fangen, aber schließlich wird der Antisemitis­mus, weil er seiner Natur nach radikal- revolutionär ist, den konservativen Gedanken unterhöhlen und ihm Eintrag tun. Das alles ist, oft gesagt, richtig. Die diesem Ge­dankengang gewidmeten Ausführungen ent­halten außerdem noch mancherlei richtige Beobachtungen, so z.B. jene, daß die von den Antisemiten gewöhnlich für ihre Stellung­nahme gegen die Juden angegebenen Gründe nicht die tatsächlichen primären sind, sondern, daß das Haßgefühl das Ursprüngliche, Ge-

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