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erweislich nicht wahr sind, glatt wiederholt. Un­klar ist die Haltung gegenüber dem Zionismus. Er spricht ihm das Verdienst zu, auf dem Umweg über den Nationalismus zur religiösen Form zurückgeführt zu haben. Dann wieder könnte man meinen, er halte den Gedanken nicht für abwegig, daß aus der Betonung des National-Jüdischen die Gegenwirkung des anti­semitischen Ablehnungseffekts sich verstärken könnte; zugleich nimmt er dem Zionismus den Eigenwert und läßt ihn nur ressentiment sein. Die Haltung ist unklar, ein Eingehen auf die Grundfragen des Staatlichen und Natio­nalen fehlt. Und ist es richtig, daß die Feind­schaft des Liberalismus gegen den Zionismus auch sie ist keine unbedingte, es gibt auch liberale Zionisten sich an dessen Abkehr vom Aufklärungsideal entzündet? Was ist das Aufklärungsideal? Insoweit es im Bezirk des Religiösen von der Fiktion einer natürlichen Religion ausging und zu ihr hinstrebte, hatte es schon der Liberalismus des 19. Jahr­hunderts überwunden. Insoweit es Humani­tätsideal ist, sollte sich der Zionismus, auch wenn das Nationale anders gewertet wird, aufgegeben haben? Unklar! So ist's denn, wie im Eingang gesagt: Man wird die Schluß­these des Buches bejahen, aber der ganze Gedankengang entbehrt der Klarheit, ist durch­setzt von schiefen Auffassungen- und falschen Behauptungen. M. Dienemann.

Hilde Lion: Zur Soziologie der Frauenbewegung. Die sozia­listische und die katholische Frauenbewegung. F. A. Herbig, Verlagsbuchhandlung, Berlin 1926. Die Frauenbewegung, in Idee und Ur­sprung auf der Tatsache des Geschlechts, einem Natur- und deshalb universellen Prinzip also beruhend, erleidet durch die sozialistische und katholische Frauenbewegung eine Modi­fikation. Der damit gegebene Dualismus zwischen derUrform und Eigengesetzlich­keit" der ursprünglich einheitlichen und dieser besonderen Erscheinungsformen, wie deren Geschichte ist der Gegenstand dieser sehr gründlichen und vorzüglich orientieren­den von der Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit in Berlin herausgegebenen Schrift. Im Gegensatz zum Liberalismus ist der frühe Sozialismus von vorneherein keineswegs frauen­freundlich und der sozialistischen Frauen­

bewegung eher abgeneigt, weil er in ihrer Betonung des Geschlechtes eine Gefährdung der Gesamtbewegung, in ihrer historischen bürgerlichen Fundierung eine solche des klas­senkämpferischen Merkmals fürchtet: eine Hal­tung, die sich in allen entsprechenden Fragen vom Arbeiterinnenschutz bis zum Frauen- stäminrecht und analogisch in der Gewerk­schaftsfrage wiederholt. Auf Bebel in erster Linie, der in dem Kampf der Frau eine not­wendige Etappe in dem allgemeinen Be­freiungskampf sieht, ist die zögernd vor sich gehende Umwandlung jener Haltung zu einer frauenfreundlichen zurückzuführen, wie auf der andern Seite sein tief einwirkendes Buch Die Frau" der Arbeiterin den Blick für den wesensgesetzlichen Zusammenhang zwi­schen ihrer und der Sache des Gesamt­proletariates schärft. Während so Bebel, der Mann, die Erschütterung des Antifeminismus in der Sozialdemokratie bewirkt, ist es um­gekehrt die Frau, Klara Zetkin, die mit entschiedenster, jeden Kompromiß abschwö­render Front gegen die bürgerliche Frauen­bewegung die sozialistische dem allgemeinen Klassenkampf unterstellt; der Gegensatz zwi­schen dem Primat des Geschlechts und dem der Klasse, das Merkmal der sozialistischen Frauenbewegung, wird zugunsten der Klasse entschieden. Immerhin sieht Klara Zetkin, deren Einfluß zwischen 1890 und 1917 aus­schlaggebend ist, immer mehr auch die Be­rechtigung nicht nur, sondern die Notwen­digkeit ein, die spezifisch weiblichen Forde­rungen innerhalb der des Gesamtproletariats zu betonen (auch in der Moskauer Frauen­internationale) und bekennt sich heute zu einem neuen Frauentypus, dessen Idee sie früher als eineTändelei des Geistes" ge­wertet hätte.

Tiefer ab der durch die Annahme des Klassenprimates gegebene Konflikt zwischen sozialistischer und allgemeiner Frauenbewe­gung, der ja letztlich doch nur ein taktisch- historischer ist, insofern einem wahren rea­lisierten Sozialismus die Erfüllung der Frauen­rechte notwendig immanent wäre, ist nach meiner Ansicht der zwischen katholischer und allgemeiner Bewegung, weil es sich hier um eine ganz fundamentale, prinzipielle, auf einem religiösen Dogma beruhende und damit unlösbare Antinomie handelt. Denn hat auch die katholische Kirche die Frauenbewegung als einegottgewollte Kulturströmung", die

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