Bertha Badt-Strauß: Moses Mendelssohns Tochter Dorothea
lei Gründen verzögerte) lernte ich Joseph Körners Aufsatz „Mendelssohns Töchter" (Preuß. Jahrbücher, Bd. 21 k, Heft 2, S. 167 ff.) kennen. Ieh freue mich mancher Übereinstimmung mit diesem gründlichen Kenner romantischer Dokumente. Auch Körner kommt zu dem Schlüsse, daß Dorothea, „die in der Hingabe groß war, wie einem Manne, so auch einem Gotte nur ganz gehören konnte oder gar nicht": Er bestätigt damit jene merkwürdige erotisch-psychologische Umformung des Monotheismus ihrer Jugendjahre. Auch Körner empfindet, daß der Glaubenswandel „niqht die geringste Veränderung ihrer Persönlichkeit" schuf. — Freilich scheint mir Körner die Bedeutung ihrer literarischen Lebensarbeit sowohl in der Kulturgeschichte ihrer Zeit, wie auch in der Entfaltung ihres eigenen Wesens zu unterschätzen. Und jene letzte, überraschende Wandlung ihres Charakterbildes von der andächtig Schwärmenden zur vernünftig Handelnden scheint er völlig zu übersehen. Was sie ihm zur Christin macht, das macht sie mir zur Jüdin, um ein Nathanwort zu variieren.
Es geht auch nicht mehr an, in Dorotheas erstem Gatten (a. a. 0. S. 169) „einen ungebildeten, gleichgültigen Durchschnitts
juden" zu sehen; dagegen sprechen die oben erwähnten Nachrichten über Veits philosophisches Interesse ebensosehr, wie die späteren, auch von Körner erwähnten Briefe des edlen Mannes. — Ebensowenig einverstanden kann man sich mit der auch hier wieder auftauchenden Geschichtskonstruktion erklären: als sei die Taufe von Moses Mendelssohns Töchtern eine zwangsläufige Folge von Mendelssohns Schöpfung . „dem doppelköpfigen Wechselbalg des deutschen Juden" (Körner, a. a. 0., S. 167). Das Erbe Moses Mendelssohns geht nicht verloren, wenn auch die Generation seiner Kinder zu schwach war, das grelle Licht der neuen Kultur zu ertragen und dem Vater die Idealgestalt des deutschen Juden nachzuleben. Grade Körner hätte die verwirrende und umnebelnde Wirkung der Romantik auf das Geschlecht der Mendelssohntöchter nicht verkennen dürfen. Erst das nachromantische Geschlecht, erst die Wissenschaf t des Judentums im 19. Jahrhundert, ist klarblickend und selbständig genug, um das Erbe Moses Mendelssohns anzutreten: die Erkenntnis, wie sie später Hermann Cohen in seinem letzten Werke formulierte, vom Wesen der „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums".
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