Deulsctjüdische B?.uernsiedlung Eine Erwiderung

sequenz, entgegen den Interessen des gesamten Volkes, dahin gerichtet ist, die Großproduzenten von Roggen und Kartoffeln vor dem schließlich doch unver­meidlichen Bankerott zu bewahren. Die Konsequenz ist, namentlich in einer Zeit der schwersten Wirtschaftskrise wie der unsrigen, daß die Konsumkraft der Bevölkerung durch die wahnsinnig überhöhten Preise für die billigsten Nahrungsmittel, eben Brot und Kartoffeln, völlig erschöpft wird, so daß für die Produkte der Veredlungswirtschaft, der spezifisch bäuerlichen Betriebe, nicht mehr genug übrigbleibe, um sie rentabel zu ges' -Jten. Um nur ein einziges Beispiel anzuführen, so verbraucht New York pro "opf der Bevölkerung 9 / 10 Liter Milch: der Durchschnitt von mehr als go deutschen Städten ergab aber schon vor längerer Zeit, als die Krise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hatte, weniger als V* Liter. Wenn die Konizölle fielen, würde soviel mehr an Frischmilch, Butler statt Margarine, Frischeier anstatt Kisfeneier, und zwar in sehr vermehrter Zahl, Obst usw. konsumiert werden, daß die bäuerliche Ver­edlungswirtschaft ihres Marktes und ihrer Rentabilität sicher wäre. Ferner würde dann das Schwergewicht der bäuerlichen Wirtschaft sich schnell ver-. legen auf denjenigen Betriebszweig, für den sie besonders geeignet ist: auf die Viehhaltung, und dann würde die Nutzfläche viel kleiner sein dürfen als heute,, weil der Tktriebsinhaber mit eingeführten billigen Futtermitteln fast beliebig viele Tiere unterhalten könnte. Die obere Grenze läge nur im Umfang seiner Arbeitskraft; ein sehr wesentlicher Nebenerfolg bestünde darin, daß er sein Land viel kräftiger als heute mit Naturdünger verbessern könnte: doppelt soviel Kühe auf dem halben Acker bedeutet vervierfachte Düngung, und dies wieder sehr stark vergrößerte Roherträge ohne wesentliche Mehrkosten.

Nun können wir unsere Maßnahmen unmöglich auf die Verhältnisse einer Periode abstellen, die ganz unzweifelhaft eine relativ kurze Periode des Über­gangs sein muß. Die Großgüter sind durch noch so hohe Kornzölle auf die Dauer nicht zu halten; wir befinden uns heute in ungefähr der gleichen Situation wie England vor i846: die ins Maßlose übersteigerten KornzöUe vermehren die Getradeprcduktion im eigenen Lande in dem Maße, daß sie die durch die hohen Preise geschwächte Kaufkraft übersteigen, und dann ist ihr Sturz unaufhaltbar. Dazu kommen zwingende politische Gründe: unsere Industrie kann auf die Dauer nicht dulden, daß ihre Exportmöglichkeiten durch die agrarische Hochschutzzollpolitik immer mehr verschüttet werden, während gleichzeitig der Hauptteil der städtischen Bevölkerung, also der Binnenmarkt, immer kaufschwächer für ihre Produkte wird. Und schließlich regt sich auch

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