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Ein Hinterhaus.
Wir betraten den Flur zu ebener Erde, und Dunkelheit umfing uns. Rechts und links führen Türen, deren Griff man ertastet, in einzelne Stuben, Jeder dieser Räume ist durch Verschlage in drei oder vier Teile geteilt. In jedem dieser Winkel lebt eine Familie.
In dem ganzen Hause etwa 200 Familien! . , .
In einem solchen mit Lumpen angefüllten dunklen Winkel sehe ich auf einer Bank ein brennendes Licht zu Häupten einer Fleischermulde.
Ich frage den Krüppel, der daneben hockt, was das bedeute.
„Unser Kind ist gestern gestorben vor Hunger und Kalt'*
„Warum habt ihr es noch nicht begraben?"
„Lieber Herr, wir leben doch hier selbst wie in e Grab, als ob wir schon wären gestorben".
So sprach die Mutter. .
Dann starrten mich noch die Augen von drei Kindern an.--
Zwischen all dem ging die älteste Tochter einher — ein erblühendes Mädchen von fünfzehn Jahren.
Ich fragte sie etwas — sie gab keine Antwort.
Gramvoll erschauernd 'dachte ich: wenn dieses Mädchen nun hinauskommt auf die Straße — und es winkt ihr jemand — und gibt ihr Brot, nur Brot .....
Und dann erinnerte ich mich wieder wohlgekleideter und gepflegter „Kenner osteuropäischer Verhältnisse 44 , die oberflächlichen Blickes und kalten Herzens grausame Worte von jüdischer Prostitution drucken ließen.
Ich glaube, hier würde selbst diesen fischblütigen Vivisektoren menschlichen Elends das Messer entsinken.
Denn auch dieses Mädchen war umhegt und geschützt durch die strenge Sitte der uraltheiligen Religion.
Wer das gesehen, dem wird es nie entschwinden.
Wie in den Freudenbecher des Juden die Tränenperle „Jerusalem 44 fällt, so wird das Glück dessen, der dies schauen mußte, von „Ban- kowskis Hoif 44 beschattet werden wie von schwarzen Krähenflügeln. —
Streiflichter über jüdische Religion und Wissenschaft
Von Hermann Cohen 15. Eine Selbstanzeige
fllJjon keinem meiner Bücher habe ich jemals, eine Selbstanzeige S<$H gemacht, hier aber möchte ich von einem Aufsatze berichten, V© dor soeben in Nr. 28 und 29 des „Protestantenblatt 44 von mir erschienen ist. Eine hiesige studentische Verbindung, die „Freie wissenschaftliche Vereinigung 44 , hatte sich im Mai an mich mit der Auf-