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füllung nicht nur unsere, sondern Menschenkraft überhaupt übersteigt wir haben genug der Gespenster* konstruiert, die uns jetzt schrecken! Klammern wir uns nicht { an Forderungen, deren Erfüllung unsere Leere nicht vermindert. Prüfen wir, sichten wir, untersuchen wir all dieses Material von Judenfrage, von Judenfragen vielleicht, erforschen wir den ungeheuren Komplex von Schwierigkeiten und gestehen wir uns, dass wir noch nichts von ihm begriffen haben, als unsere 'Liebe, als unseren Willen zur jüdischen Zukunft in Palästina und unseren Glauben an ihr /Werden.

Vielleicht kann die Kritik dem erlösenden Wort, das heute so viele Hungrige ersehnen, wenigstens den Weg bereiten.

ÜHHElilUiJÜ

JLiteraturblatt

UHU Hill

Aknanach zydowskL (Jüdischer Al­mau ach.) Redigiert von Dr. Z. F. Finkelstein, Wien.

Dieses Sammelwerk ist, wie der Herausgeber bemerkt, nicht der Aus­druck einer literarischen Gruppe und auch nicht der Ausfluss einer gesell­schaftlichen Lehre. Denn nicht mit schöngeistigen Dingen darf man in dieser ernsten, schweren, über die Schicksale ganzer Völker entschei­denden Zeit dem jüdischen Volke kommen, sondern soll ihm mit der klaren, allgemein verständlichen Wahrheit dienen. Nach dieser Wahr­heit verlangt und lechzt die Juden- heit heute stärker denn je. Aber kann man dem Volke die ersehnte Wahrheit geben?

Ein aufschlussreiches Tatsachen­material bietet das Buch, es ent­hält viele zutreffende Bemerkungen, zieht interessante Schlüsse, gewährt weite Ausbliese, aber es fehlt dem Ganzen das, was der Herausgeber angedeutet hat: System. Und noch ein anderes fehlt dem sonst wert­vollen, belehrenden, tröstenden Werke: Schwung. Wozu auch? Geduld gilt jetzt mehr als Kühnheit, Arbeit mehr als Schönheit, Selbsterkenntnis mehr als Sehnsucht ...

In einem geschichtlichen Augen­blick leben wir. Jeder der Mit­arbeiter des Almanachs scheint es uns einprägen zu wollen, als >öb wir es nicht seihst spürten. Aber dieses Hindeuten auf bedeutsame Zeichen der Zeit schadet dem Buche nicht, im Gegenteil, es verleiht ihm eine ernste, eherne Einheitlichkeit trotz iallcr Mannigfaltigkeit der Stoffe und Gesichtspunkte.

Dass das Judentum Kongresspo- Tens einen breiten Raum hier ein­nimmt, versteht sich von selbst. Die befreiten Massen werden begrüsst, registriert, untersucht. Mehrere Auf- sätze sind der Vergangenheit der Ostjuden, ihrer Stellung zu den Rus­sen und Polen gewidmet, ein paar Beiträge behandeln ihre Lage in der Gegenwart funef, um das Bild abzu­runden," es fehlt nicht an Arbeiten, die sich mit der Zukunft der pol­nischen Juden ibefassen. Dem Zionis­mus und dem Lande unserer Urväter gelten, wenn auch nicht viele, so doch recht gelungene Abhandlungen, Theodor Herzls Ueberragende Per- sönlichkeit wird leider nur von der feuilletonistischen Seite beleuchtet. Audi die Literatur, die Geschichte und das GeseDschaftslcben der Ost­juden werden, gestreift.