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Arnold Zweig: Bennarone. München. Roland-Verlag, 1918. Eine anmutige Studerctengc- sehichte, aus eigenem oder frem* dem Erleben geschöpft, wie sie so mancher Dichter geschrieben hat oder schreiben fcöntrte. In der Erinnerung an die Jugendreit uberschätzt man aber gewöhnlich jene kleinen Ereignisse, die im Erleben so köstlich waren. Es ist ein Ausruhen gleichsam, wenn man sie schmunzelnd erzählt, Oer Anfang ist glänzend: Ottomar Enkings Augen für den Kleinstadtzauber konnten nicht besser sehen als die Arnold Zweigs, der in seiner Efcarstel- IungsWeise über Enking hinausgeht! ja manchmal an den soliden Expressionismus streift. Noch ein paar liebliche Momentaufnahmen und angenehme iL ebensauss dm itte — was aber dazwischen ist, erscheint dem Kritiker, der von Zweig nur das Höchste erwartet und verlegt, unwichtig, wenn auch nicht belanglos. Jedenfalls eine gute Stilübung des (bedeutenden Erzählers, der ein besserer und tieferer, eigenartiger, jüdischer Dramatiker ist und bleiben soll.
Dr. M. Sdherlag, Wien.
H. Ed. Jacob: Das Geschenk der schönen Erde. München, Rolandverlag, 1919.
Der Rolandverlag, jung und aufstrebend, dem Lebendigen! zugewandt, bringt die neue Reihe heraus, in welcher eines der schönsten Bändchen Jacobs „Geschenk der
schönen Erde" ist, Seit Turgenjews Gedichten in Prosa dürften kaum stimmungsvollere als die von Jacob- geschrieben worden sein. Dieser junge Jude, der ein Noveflenbudi „Das Leichenbegängnis der Gemrna Ebria" in einem tadellosen, an Conrad Ferdinand Meyer geschulten, fast meisterlichen Stil geschaffen hat, flüchtete ischeinbar nach dem Erlebnis des Krieges zur Natur, um die schöne und sündlose Erde zu gemessen. Und nun erlebt er die Trunkenheit von Vogelsang und Blütenduft und gewinnt Lebens- freude und wird Gott nahe an frommer Berauschtheit, ein Priester der ewigen Schönheit, ein Künder des Paradieses auf Erden, ein Kind der Natur. Zu den herrlichsten Hymnen auf ihre Wunder gehören: Vogelsang,. Mückensäule, Heuduft. Die Fisdhe springen der Sonne entgegen. !n (dieser letzten Skizze — nein, in diesem letztgenannten Gedichte — findet sich eine glückliche Stelle, echt jüdisch erfüllt und dichterisch wiedergegeben: „Esther aber, •das Mädchen .Esther, das damals mit uns gewesen war, redete dieses glückhafte Wort: ,Als die Fische zur Sonne aufsprangen, schien mir ihr kleines Rauschen und Glimmen ein Gleichnis zu sein, dem Rauschen lund Glimmen, das von der Rolle der Thora ausgeht, wenn der dienende Rabbi sie aufrollt*. Doch sogleich, alles ibob zu vermeiden, senkte sie errötend das Haupt".
Dr. M Scherlag, Wien.