23 MENORAH Wie der Hund zu den Menschen gekommen ist Bibclmärchen von Siegfried Abeles . Nach der Vertreibung aus dem Paradiese wollten die Tiere nicht mehr mit Adam und Eva / . usammenlcbcn . Selbst die sanftmütigen Schafe mußte Abel erst ein fangen . Nachts sperrte er sie ein . Wenn sie aber auf der Weide waren , wollten sie alle fortlaufen . So hatte Abel sehr viel Mühe , weil kein Hund ihm beim Hüten half . Die Hunde lebten damals , wie die andern Tiere , im Wald , und fraßen Hasen und andere kleine Wesen . Sic waren aber nicht so wild wie der Wolf oder der Fuchs und wichen dem Men¬ schen nicht scheu aus . Ein Hund ging sogar oft neben Kain , wenn dieser im Wald spazieren ging ; ein anderer war der Freund Abels geworden . Mensch und Tier konnten freilich nicht mitein¬ ander sprechen , aber der Hund freute sich , wenn der Mensch ihn streichelte und dieser verstand , was der Hund sagen wollte , wenn er freundlich wedelte . Einmal sagte der eine Hund zum andern : „ Komm , wir wollen unsere Freunde be¬ suchen . " Doch als sie zum Felde Kains kamen , blieben sie erschrocken stehen . Über dem Acker stand eine finstere , schwarze Wolke und aus dieser erschollen furchtbare Donncrtönc . Was aber Gott und Kain mitein¬ ander sprachen , konnten die beiden Hunde nicht vernehmen . Sie erblickten jedoch die Leiche Abels und dadurch erkannten sie , daß Kain seinen Bruder ermordet hatte . Der vierbeinige Freund Abels sah nun so zornig den andern Hund an , als wollte er ihn aus Rache zerreißen . Doch dieser blickte nur auf Kain . Gott hatte den Mörder verflucht , er sollte ruhelos wandern , und nun wankte Kain bleich fort , er wußte nicht wohin . Da lief der Hund , der ihn lieb halte , auf ihn zu und sprang um ihn umher , so dafi Kain bald verstand , das treue Tier wolle mit ihm über¬ all hingehen und wäre es bis ans Ende der Welt . Die Vögel und die Tiere wichen dem Manne scheu aus , der ein brennendes Zeichen auf der Stirnc trug . Der Hund aber ging mit ihm , immer weiter und weiter . „ Wenn ich doch auch meinem Freunde zeigen könnte, " dachte der andere Hund traurig , , ,wic treu ich ihm bin . Aber , ach , Abel ist tot ! " Da sah er wie ein Schaf in den Wald laufen wollte . Rasch eilte er hin , bellte es an und trieb e c . zur Herde zurück . Nun hütete der Hund immer die Schafe des verstorbenen Abel . Adam und Eva konnten sich auf ihren treuen , vier - füßigen Diener gut verlassen . Und als der dritte Sohn Adams , Seth , so groß geworden war , daß er selbst die Schafe hüten konnte , ging der Hund doch nicht mehr in den Wald zurück und blieb freiwillig ein Diener des Menschen . ONKEL BEN NATHAN SAGT DIR WAS ! WANDERNDE GESCHICHTEN . Ja , auch Märchen , Sagen , Sprüche und Schwanke wandern von Volk zu Volk , von Land zu Land . Viele unserer Geschichten von den C hclmcrn werden nur von ihnen erzählt . Aber manche Geschichte von dummen Leuten , die in Deutschland , in der Türkei , in Rußland oder anderswo entstanden ist , wird nun auch den armen Chelmcrn zugeschrieben . Dann sieht sie aber gleich ganz anders aus . Du weißt wohl , daß einmal zehn Büsumei einen Fluß durchschwammen . Als sie aber dann am Ufer sehen wollten , ob keiner von ihnen er¬ trunken sei , vergaß jeder sich selbst mitzuzählen . Daher glaubten sie , sie seien nur neun und waren sehr verzweifelt . Ein Fremder riet ihnen nun , jeder möge seine Nase in den Sand stecken . Das taten sie . Und als nun die Busumer sahen , daß die Nasen zehn Grübchen in den Sand gegraben hatten , waren sie froh und glücklich , denn keiner von ihnen war ertrunken . Nun lies die Geschichte „ Sind wir zehn ? " Da kommt derselbe Scherz vor und doch ist die Erzählung eine ganz andere , eine jüdische ge¬ worden . SIND WIR ZEHN ? Einige Chelmer saßen in einem großen Zim¬ mer beisammen , und da es schon spät war , woll¬ ten sie gemeinsam das Abendgebet verrichten . Sogleich begann einer zu zahlen , ob sie zehn wären , denn bei den Juden müssen mindestens zehn Männer zugegen sein , wenn gemeinsam ge¬ betet werden soll . Der Zählende hatte vergessen , sich selbst mit¬ zuzählen , da waren sie sieben . Ein anderer zahlte nach , und weil der mit sich begann und sich am Schluß nochmals zählte , waren sie neun . Um es nun genau zu wissen , wie viele sie seien , sollte jeder einen hinger in die Höhe heben . Aber weil manche zwei Finger hoben , waren sie jetzt elf . Nun , letzt wußten sich die armen Chelmer nicht mehr zu helfen . Zufällig war aber ein fremder Jude anwesend . Auf seinen Rat nahmen sie aus allen Öfen des Hauses die Asche heraus und bedeckten damit die Tischplatte . Dann steckte jeder Chelmer seine Nase in die noch warme Asche und einer von ihnen schrie laut auf , denn seine arme Nase hatte ein Stückchen Glut berührt . Sic freuten sich aber doch , als sie aus der Zahl der Grübchen in der Asche er¬ sehen konnten , daß sie acht Leute waren . Nun schickten sie einen auf die Gasse , um noch zwei Juden zu suchen . Ei traf den krummen Fleisch , der die Gewohnheit hatte , laut mit sich selbst zu sprechen . , ,Ja , da mußt du mitgehen ' * , sagte Hersel ) laut zu sich . Als der Chelmer mit Hasch zurückkam , rief er stolz : „ Da bring ich zwei ! Der krumme Heisch ist zwei . Er ist der Flcrsch und dann ist er noch Du , mit dem er immer spricht . " Aber einige wollten nicht glauben , daß Hcrsch zwei Personen sei und so mußte auch er die Nase in die Asche stecken , die inzwischen schon in eine große Mistkistc gegeben worden war . Und an dem Grübchen erkannten sie , daß Hcrsch doch nur e i n Mensch war . „ Jetzt sind wir noch immer nicht zehn ! " seuf/ten die Chelmer . „ Vcrgeßt ihr denn , daß auch ich ein Jude bin " , sagte der Fremde . Da waren die Chelmer sehr erstaunt , daß einer , der kein Chelmer war , auch jemand sein sollte . „ Vor Gott bin ich doch gewiß ebenso ein Mensch wie ihr " , sagte der Fremde . „ Laß sehen ! Stecke die Nase in die Asche ! " riefen die Chelmer . Doch der Fremde wollte dies nicht tun . Da packten sie ihn und stießen seinen Kopf tief in die Aschenkiste . Dem armen Fremden drang die Asche in Ohren , Nase und Augen und er schüt¬ telte sich heftig . Nun war kein Grübchen in der Asche zu sehen und mehrere Chelmer riefen gleichzeitig : „ Seht ihr , er ist doch keiner ! " Und weil so spät niemand mehr auf der Straße zu treffen war , konnte an diesem Abend kein gemeinsamer Gottesdienst abgehalten werden . Sie waren doch , so glaubten sie , noch immer nicht zehn Leute . S . A . |