DIE GERIM VON JUDINA

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richten, und so mußten die jüdischen Kinder mit den Molokkanern und Kosaken zusammen in die allgemeine Schule gehen. So nötig nun die Ausbildung solcher jungen Leute, die später die Kinder im Dorfe unter­richten, sei, so werde es doch immer schwerer, sie längere Zeit im Aus­land zu erhalten die Gemeindemitglieder seien nicht mehr so streng­gläubig wie einst und wollen nicht mehr materielle Opfer bringen. Ihr Interesse am Judentum ist im Schwinden.

Nach Tisch führte mich Pawlow in die Synagoge. Das Gebäude ist äußerst stattlich, auf einem Hügel erbaut, von einem schönen Blumengarten umgeben. Über dem Eingang glänzt eine goldene In­schrift in hebräischen Lettern, ein seltsamer Anblick mitten im tiefsten Sibirien. Von einer gewissen Entfernung gesehen wirkt die Synagoge bildhaft, fast unwirklich. Pawlow rief den Schammasch und ließ mir eine Thorarolle zeigen. Sie besitzen deren vier, eine alte und drei neue, die von Wilna gebracht wurden.

Dann gingen wir zum Friedhof, wo die Grabsteine in geraden Reihen stehen. Er ist von einem Birkenwäldchen umgeben und liegt eben­falls auf einem Hügel, ziemlich weit vom Orte entfernt. Die Grabsteine auf den Ruhestätten Bandariows und der Seinen ragen mächtig empor wie die Ruinen einer alten Festung er hat sie noch selbst zu Leb­zeiten ausgehauen und nahm dazu die alten Grabsteine der Abakan, mit denen die Steppe durchsetzt ist, riesige, mehr als zwei Meter hohe Blöcke.

In trauriger Stimmung kehren wir zurück Pawlow klagt über den neuen Geist, der in seine Gemeinde einzieht wer wird seinen Platz einnehmen, wenn er nicht mehr ist?

Aus dem Englischen ubertragen von Paula. Arnold.

Holz-Synagoge in Rußland