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MENORAH

tröste; alle ihre Nächsten sind ihr untreu und ihre Feinde worden.' 4 Den Verlust der Helden besingt David: Deine Zier, o Israel, auf deinen Höhen ist sie erschlagen, ach, wie fielen die Helden! Sagt es nicht in Gat, verkündet es nicht in Askalons Straßen, damit sich nicht freuen der Philister Töchter! Ihr Berge Gilfooas, nicht Tau, nicht Regen falle auf euch, denn dorthin ward geworfen der Schild der Helden, der Schild des Saul. Ach, wie fielen die Helden inmitten des Kampfes I Jonathan, auf deinen Höhen ist er erschlagen, mir ist so weh um dich, Jonathan, mein Bruder, lieb warst du mir sehr, lieber denn Frauen- liebe! Ach, wie fielen die Helden!"

Hunderte von Zitaten könnten angeführt werden. In den beiden Gegensatzformen des Triumph- und Klageliedes drückt sich der Wille zur Zeitbezogenheit am intensivsten aus. Jede Hemmung des Raumes versinkt in ihren Scheinwert vor dem Ewigkeitswert des Sieges in der Zeit. Die Musik (Zeit) ist die Erlöserin von der Seins­schwere des Raumes.

Man wende nicht ein, alle orientalischen Völker haben diese Triumph- und Klagelieder gehabt. Man sage nicht, diese Bedeutung sei aller Musik zuzuschreiben: Erlösung vom Raum. Wir sprechen bei den Juden von der Bedeutung der Musik, von der Kolossalität, von der In­tensität. Bei allem, was wir über sie sagen, ist Ausmaß und Intensität entscheidend. Darin liegt der spezifische Sonderwert der jüdischen Musikalität.

In dem Prophetismus haben wir die größte Offenbarung der jüdischen Zeitgerichtetheit. Zukunft ist der am weitesten von der Realität abgelöste Begriff. Auch der Begriff der Vergangenheit ist nur noch ein Zeitliches. Aber er drückt doch ein War aus, also etwas mit der Realität Verknüpftes. Ganz abgesehen davon, daß Tradition, Über- brachtes, Übergebenes irgendwie in der Realität existiert. Ebenso die Gegenwart. Sie ist ein Sein, und Sein drückt in erster Linie Bezogen­sein, Gebundensein aus, das nicht vollkommen für die Zeit absorbiert werden kann. Dagegen Zukunft ist etwas Quasi-Metaphysisches, etwas was außerhalb der Sphäre des Verwirklichten liegt, lediglich eine Richtung, eine Hoffnung, eine Sehnsucht und insofern die reinste Kategorie der Zeit. So ist der Prophetismus das von allem Räumlichen Losgelöste. Denn seine Provinz ist das Imaginäre, das Illusionäre der reinen Zukunft, das weder in der Gegenwart Relation im Raum hat, noch wahrscheinlich in der Zukunft haben wird.

Mit dem Schwergewicht des Prophetismus begreifen wir weiterhin die unerhörte Zeitgerichtetheit des Judentums. Das muß aber