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MENORAH
und Bauern als Tribut für die Götter gebracht hatten. Es waren richtige Fabriken, nach gesunden Gesehäftsprinzipien geführt, wie man aus den Büchern ersehen kann: man hat ausführlich berechnet gefunden, wie sich Ausgaben und Einnahmen verhallen. In parallelen Kolonnen wurde da verzeichnet, was die Arbeiterinnen an Kost brauchten, und wie hoch das Erträgnis ihrer Arbeit war — ein richtiges Soll und Haben.
Unter der Südostrampe der Terrasse des Ziggurat stand der festungsähnliche Tempel der Mondgöttin Nin-Gal, mit hohen Mauern und Ecktürmen. Er enthielt zwei Heiligtümer der Göttin, jedes anders gebaut, und dazwischen, in einem Labyrinth von Gängen verborgen, das kleine Heiligtum des gottgewordenen Königs Bur-Sin, der den Tempel vierhundert Jahre früher begründet hatte. In diesem Gebäude, im Vorhof eines der beiden Nin-Gal-Iieiligtümer, stellte später Ham- murabi von Babylon ein Denkmal auf. das seine Eroberung der kaiserlichen Stadt und das Ende der sumerischen Unabhängigkeit verewigte. Dies geschah wahrscheinlich wenige Jahre, nachdem Abraham Ur verlassen hatte.
"Weitere Tempel und der alte Palast der Könige von Ur füllten den übrigen Teil des heiligen Platzes; all diese Gebäude, so verschieden sie auch sein mochten, waren im weitesten Sinne doch ein großes Ganzes, der Tempel des Nannar. Durchschritt man das Tor in der Mauer, die den ganzen Platz umschloß, so befand man sich in der Stadt. Es gab zwar Vorstädte, die sich weithin erstreckten, aber die alte, innere Stadt war auch von einem Wall umgeben, und innerhalb desselben schmiegten sich die Häuser eng aneinander, zu beiden Sei ten der schmalen, krummen, ungepflasterlen Gassen. Die Ilüuser- ecken waren abgerundet, damit die Esel — das einzige Transportmittel — sich nicht an ihnen stießen; so eng waren diese Hänser- sehluchten. Der Straße zugekehrt waren lote Mauern ohne jegliches Fenster, von einer einzigen Tür durchbrochen. Aber das Innere der Häuser war recht behaglich. Das Baumaterial war Ziegel, und zwar gebrannt für das Erdgeschoß, einfach luftgetrocknet für das obere. Das Ganze war mit Mörtel bestrichen und geweißt. Durch das Tor trat man in einen kleinen Gang, wo ein großer, irdener Krug voll Wasser zum Waschen der Füße bereit stand. Dieser Gang führte in den gepflasterten Hof. um den das ganze Haus herumgebaut war. Eine Innentreppe stieg zu einer hölzernen Galerie auf, die rundum lief und von der aus man die oberen Zimmer betrat. Das fast flache Dach