AUS DEM KUNSTLEBEN 135 sinnreiches Kapitel unserer Kultur — und weil weniger ein solches un¬ serer Kunstgeschichte ist , diesem jungen Lehen sich zuwenden , seine Kräfte gebrauchen und planmäßig entwickeln — wäre das nicht auch Pietät ? Und ist diese Pietät vor dem Leben , vor den endlich befreiten schöpferischen Kräften unseres Volkes nicht gerade so gut und edel , wie die andere ? Von der Plastik Seit einigen Jahren ist Wien die Bildhauer schule für Palästina . Der jüngste dieser Reihe heißt Arje Reznik . Er ist in dem polnischen Kohlengebiet zu Sosnowjed geboren , ging 1920 nach Palästina und hat hier durch sechs Jahre , zuerst als Chaussee - , dann als Landarbeiter , an dem Aufbau des heiligen Landes mitgearbeitet . Bei Grabungen in Beth Alpha stieß man auf eine alte Anlage . Bausteine davon sind die Werk¬ stoffe für die ersten freien Versuche Rezniks geworden . Nun hat er drei Jahre in Wien , in der Kunstgewerbeschule , bei Professor Steinhof , zu¬ gebracht . Und hat sich in dieser knappen Zeit überraschend entwickelt . Das liegt zum Teil an dem Lehrer , dessen Schüler vom Töpferhand¬ werk schnell auch im Figurenstück zu einfach großen Formen kom¬ men , das liegt gewiß auch an dem Material , der Terrakotta , die schon aus ihrer Natur zu solchen Formen drängt . Ungefährlich ist solche Ent¬ wicklung nicht . Auch erschwert sie , infolge ihrer Parallelität mit den Entwicklungen der Kameraden , das Urteil , den Einblick ins Eigentüm¬ liche . Trotzdem wird man schon sagen dürfen , daß hier eine echte Be¬ gabung am Werke ist . , ,Die Hockende " von 1928 mit der sehr schwie¬ rigen und doch schon angenehm gelösten Gliederbildung ist wohl noch Lehnkunst , weniger schon das , ,Schreitende Mädchen " mit den eksta¬ tisch erhobenen Händen . Die stärkste Erwartung erwecken aber die zwei „ Umarmungen " aus dem Jahre 1930 . Wohl ist auch bei diesen Gruppen die Gestaltung so leicht und schmiegsam , wie sie sich bei einem ursprünglichen Verlauf des plastischen Schaffens nur spät , als Zeichen der Reife ergibt . Wohl ist in einem der beiden Fälle der schwer und heftig bewegte innere Vorgang auf einen gefälligen Reiz der Erscheinung gebracht . Aber es wird schon zwischen Terrakotta und Granit , also zwischen den materiellen Bedingungen der Form gut unterschieden . Auf eine knabenhaft schöne Empfindung folgt eine tra gische , die schon vom Schicksal weiß . Und auch sonst wird in dieser letzten granitenen Gruppe schon sichtbar , was nun auf eigenen Wegen sich erfüllen müßte : der leidenschaftliche und doch beherrschte Ernst , der die reine plastische Form feierlich verwirklicht . |