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Hirsch's Versuche.
da lächelt er über unsere „sentimentale Reizbarkeit," über diese „rein subjektiven Gefühls» nnd Modeurtheile," und belehrt nnS wohlgefällig, anständig sey Alles, was, dem Begriffe des Neinmenschlichen nicht wiedrrstreitend, in einem religiösen Kreise geheiligt ist (Nro. 2. S. 33 u. 54). Aber warum tragen wir denn kein Obergewand mehr, daS „ziziß- pflichtig" ist, warum stürzen wir denn bei Trauerfällen nicht mehr alle zum Liegen bestimmte Mobilien um, verhüllen nicht mehr ganz den Kopf? Was haben wir denn nach dem Lloe relativen Anstande zu fragen? Und war etwa, als diese Gegenstände abolirt wurden, eine Gesetzbehvrde zusammen, größer an Weisheit nnd Gliederzahl, als diejenige, welche sie angeordnet? Wir sagen weiter: beim Gebete ist wohl Andacht nöthig; wie aber, wenn wir in der Stimmung sind, daß wir nicht andächtig sein können, dürfen wir wohl dann, wie einige Thalmudisten am Tage, da sie in Zorn gerathen, oder drei Tage nach einer Reise, das Beten aussctzen? Da belehrt uns Hirsch: „sie waren, außer jenen Störungen, überzeugt, stets den gehörigen Sinn zur vollen Vollendung des innern Gottesdienstes zu bringen. Wir aber, die wir auch ohne solche Störungen uns nicht jeder Zeit die wahre Gedankcn- richtung zutraucn zur vollen Aneignung der ganzen Th'fillvhge- dankenreihe, wir sollen in der Regel das Gebet nicht unterlassen, und auch nur Ein Lebensgedanke daraus geschöpft, ist uns ewiger Lcbenögewinn n. s. f.« (S. 741 u. 742). Aber warum tragen wir denn nicht mehr den ganzen Tag die Thefillin, warum sprechen nicht jeden Tag mehr die Khohanim den Segen? — So ist Hirsch, indem er an dem Inhalte des Schulchan arnch und daher scheinbar an dessen Standpunkte festhält, weit stabiler als dieser, und hat in der That dessen Standpunkt verlassen. Denn Thalmnd undNab- binen gestatteten einzelne Veränderungen, wenn sie nothwendig geworden durch die Verhältnisse; H. aber berücksichtigt durchaus nicht die Umstände nnd bleibt starr bei dem Veralteten stehen.