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Zum Komp ert'schen Preßprozeß.

daher auf der größten Begriffsverwirrung, aus der unbegreiflichsten Verkennung unleugbarer Thatsacheu, wenn man den Bruch, der durch den Abfall von den Grundsätzen der orthodoxen Jndenheit in die Angehörigen des Jndenthinnö gedrungen, ignorircn, und von der Einheit und llntheilbarkeit des Judenthmns, auf die Gleichheit des Standpunktes seiner Bekenner schließen wollte.

Bedürfte es aber noch eines Beweises für die Existenz eines tiefgehenden Zwiespaltes im Schooße der Jndenheit, so wäre »dieser Beweis durch die beim Kompert'schen Preßprozesse über den Messias- glauben abgegebenen Aeußernngen geliefert, da durch dieselben die traurigeThntsache konstatirtwird, daß in dcrJudenheit der Gegenwart eine Spaltung besteht, welche keineswegs ״nur das Aeußere" der Liturgie betrifft, sondern in der Läugnung von Religtonswahrheiten sich manifestirt, deren Nichtanerkennung in dem entschiedensten Wi- derspruche mit dem geoffenbarten Judenthnme steht.

Es wurde behauptet: ״daß die Erwartung des Messias zwar ״Glaubenssatz sei, ohne daß jedoch hiedurch dem Forschungstriebe ״der Juden darüber, in welcher Art der Messias erscheinen werde, ״jemals Schranken gesetzt worden wären, endlich, daß eben bezüg- ״ltch der Messiaslehre eine verschiedenartige Anschauung im Inden- ״thume herrsche, indem ein Theil den persönlichen Messias ״erwarte, während der größere Theil die Messiasprophe- ״tien auf das Volk selbst beziehe."

Wären diese Worte nicht in der durch die k. k. Wiener Zci- jung veröffentlichten amtlichen Urtheilsabschrtft enthalten, so hätten wir dieselben als entstellt betrachtet; denn wie ist es möglich, über die Glaubensbekenntniffe aller in den fünf Welttheilen zerstreuten Inden sich die Berichte zu sammeln, die erforderlich sind, um bc- haupten zu können, daß ״der größere Theil die Messiaöprophetien ״auf das Volk selbst beziehe?" So lange über diese Frage keine Aufklärung gegeben sein wird, ist es wohl Jedem gestattet, sich sein eigenes Urtheil über die Nichtigkeit und Genauigkeit jener, den Mes- stasglauben der Majorität der Juden betreffenden, Angabe zu bil- den. Wir sehen daher von dem numerischen Verhältnisse, in wel׳ chem die an einen persönlichen Messias Glaubenden, zu den die Messiasprophetien auf das Volk Beziehenden stehen, ganz ab, da die Wahrheit durchaus nicht von der Zahl ihrer Bekenner abhängt.