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nach ähnlichen Schanerthaten der Juden. Sie erhielt Miithei- lung über einen ähnlichen Fall in Oesterreich ans dein Jahre k7'.»0, ferner darüber, das; hier in Nyircgyhaza beim Bane des jüdischen Tempels ein christlicher Knabe cingemauerl wurde, und cs »vird der Unkersnchungsrichler in dem anoiUfinen Briese gebeten, die Demolirung de- jüdischen Tempels vornehmen ;u wollen. Alle diese Inschriften wurden den Alten beigelegt und als wichtig bezeichne!. Jeder, der ans irgend einen Inden zornig war, beeilte sich auch, sein Schcrslein in das Deposi- torinnl des Untersuchungsrichters abzngebcn. Unter Andern! wurde auch dringend gebeten, in dein Blumengarten des hiesigen Rabbiners nachzugraben, dort sei Esther !׳ergraben. (5s wurden Inden gefangen genommen, hier und ande!swo, iver nicht sein Alibi Nachweisen konnte, wurde arrctirt, und doch gicbt eS im Lande vielleicht nur drei Personen, den König, die Königin und den Kronprinzen, von denen man immer Nachweisen kann, wo sie sich anfgehalten und was sie gckhan. Wer von uns wurde zu antworten wissen, wenn inan ihn fragen würde, wo er im vorigen Jahre zu einer gewissen Stirnde gewesen und was er gethan? Wenn nur das Alibi ein Beweis der Un- schuld wäre, so könnte man uns Alle an den Galgen bringen.

Es bildete sich hier in Nyiregyhaza eine merkwürdige ״öffentliche Meinung". Dieser öffentlichen Meinung gefiel ans einmal Herr Staatsanwalt Egrcss!) nicht mehr, sie forderte seine Enlsernnng, weil er verboten, dag Bary die Gefangenen bei Nacht verhöre. An seine Stelle kam Staatsanwalt Zoos! auch dieser war ktichl nach den! Gcschmackc der Npiregyhazacr, und daran ha! diese öffentliche Meinung sehr schlecht gethan, denn kein anderer Slaatsanwall hätte sich in Ungarn gefunden, der so ivic Herr Egressp bereit gewesen wäre, dieser öffentliche!! Meinung zu folgen. Tann kam Staatsanwalt HavaS; der war schon gar nicht recht, die ärgsten Betdächl'ignngcn wurden gegen ihn erhoben. Bin Feigling schickte ihm einen Strick in einem Briese zu. Welche bodenlose Gemeinheit und Gran- samkeil liegt in solchem Vorgehen den armen Beamten gegen- über, die das spärliche Brot des Staates essen, in Armnt'h und in borgen ihre schweren Pflichten erfüllen, und einen solchen Beamten hat die hiesige össcntliche Meinung verhöhnt, verfolgt und ihn verdächtigt, er sei von den Inden bestochen. Dann ivnrde in einen! Thcile der Presse der hiesige GerichtShes als unbestechlich hech gelobt, das Lob wiederholte der Herr Privat- klüger; dieses Lob kann ich nicht akzeptiren, denn eS ist kein Lob, und der Gerichtshof !uns; es zurückweisen. Es ist meine Ueberzcngnng, daß cS in Ungarn keinen Richter und keinen Gerichtshof gicbt, rvelcher der Bestechung zugänglich wäre. Die- selben Leute haben jubelnd verkündet, Bar!) sc! den Bcsiechnngen der Inden nicht zugänglich. Gott schütze Ungarn vor solchen! Lobe! Bei diesem Untersuchungsrichter wurden gewis; keine Bestcchungsveesnchc vorgenomincn, denn Jeden, der mit solchem Ansinnen an ihn hcrangerreten wäre, hätte er dem, strafenden Gesetze überliefern müssen. Hat man ihn aber nicht bestechen !!׳ollen, wie kommt er dann zu dem Lobe? Unter solchen Umstünden wurde Moriz auSgcbildet. Nicht die Bevölkerung des Komilalcs, noch den Beamlenkörper im Ganzen hatte ich im Auge, als ich Moriz den ״KomitatSzeugeu" nannte. Doch die Ansicht ist verbreitet, das; das Koinitat den Zeugen hierher- brachte und nur zwei Menschen dessen Abrichknng betrieben; deshalb nenne ich Moriz Scharf ״KomitatSzcugen" und werde ihn so nennen, wenn ich Gelegenheit dazu habe. Wie Moriz präparirl !!׳urbc, woher er seine Kenntnisse bezog und welche Glaubwürdigkeit seine Geständnisse haben, ist bereits von de!r Bertheidigern erörtert worden. Doch ich halte cS nicht für überflüssig, noch einige Bemerkungen zu machen. Statt aller Reflexionen bringe ich zur Kenntnis; des Gerichtshofes, dast cS in einigen Tagen ein Jahr sein wird, da ich dem Minister des Innern in einer amtlichen Eingabe schrieb, was mit Moriz

Scharf geschehen wird. Ich weist, dast ein Kind, welches fort, ,!!ährend dasselbe hört, dem gegenüber inan seine Religion fort- während verunglimpft. diese Religion schliestlich verabscheut, denn dies liegt in der Natur des Menschen. Man must nicht allllchMkN, dast Moriz verrückt ist, dast er an einer moralischen Krankheit leidet: nein, er wurde immerwährend nach einer Richtung abgcrichtet und die Sache mustle eine solche Wendung nchmcll, und das, was er erst unter Zwang anssagte, verkündete er später mit Stolz. Wenige Kinder gicbt cs ans Erden, welche unter denselben Verhältnissen nicht ebenso würden, wie Moriz. In der Eingabe an den Minister des Innern, welche ich Ende Anglist 1882 überreicht, habe ich anfinerksam gemacht, dast inan ein Attentat gegen die Reinheit der ungarischen Just!; im Schilde führt; inan werde einen Zeugen abrichtcn, der aus- sagen wird, dast seine Eltern Mörder sind. Ich machte daraus aufmcrtfain, welche Folgen dies haben wird, was geschehen must, wenn man diesen Knaben fortschlendert wie eine aus- gepresste Zitrone. (Eötvös verliest nun eine Stelle aus dieser Eingabe.'- Damals beschuldigte mich eine gewisse Presse, dast ich die Instizvslcgc Ungarns vernnglimpfc; mm aber haben die schrecklichen Szenen, !!!eiche sich hier zwischen Vater und Sohn abspielien, !!!eine Vorhersagnng in traurigster Weise erfüllt.

Der AntcsentitismnS rnnsttc einen Zeugen haben, der den rituellen Mord bestätigt; ein erwachsener Mensch gab sich zu diesem Zwecke nicht her; deshalb wurde ein Kind benutzt, wie dies bei dergleichen Blntbeschuldigungen gewöhnlich zu geschehen pflegt. Der Antisemitismus, diese unsinnige und gefährliche Kr-inkheit, ist nicht hier entstanden, sie kam ans Rustland, Deutschland. Kein Segen war auf ihrem Wege und kein Segen ruht in jener Hand, welche sie ansgcstrcut. Welches Ziel hätte der Antisemitismus, wenn er alle Bewohner erfasse.!! würde? Doch dieses Ziel wird nicht erreicht werden, weil cs nicht erreicht werden kann. Das 'Schlagwort: ״Fort mit den Inden nach Jerusalem'" zieht nur schrecklichen Zorn und Hast nach sich. Ich widerstand den! Strome, dcnn es ist gcwist, dast ullter dein Mantel des Antisemitismus auch der Hast gegen das Vermögen und den Besitz sich verbirgt. Ich wollte einer Nation die Freiheit bewahren und habe alle !!!eine Kräfte ansgcboten, nin dic׳cr verruchten Bewegung Widerstand zu bieten; doch nicht ich allein, auch das Rechtsgesühl des hohen Ge! cchlshoseS wird dieser Bewegung Widerstand leisten. Eine Angelegenheit, welche mit Lügen und Ungesetzlichkeiten verbunden ist, eine solche Angelegenheit kann in Ungarn keinen Triumph erzielen, und die Richter in Ungarn würden immer einen solchen Triumph zu verhindern wissen. Es sagte ein ungarischer Führer der Antisemiten vor einem Jahre in Dresden: ״Man muß die Frage lösen, wie die hunnische Frage gelöst wurde. Der Jude soll verschwinden, weil' Europa den Ehristen gehört." Dieses Losungswort kann dazu dienen, auch unser Volk ans Europa zu verdrängen; da aber dies nicht möglich sist, so kann cs die Unterjochung nnseres Stammes zur Folge haben. Der Privat- lläger sagte: Wenn die in den Stand gesunkene Fahne der Christen ans dem Staube gehoben !vird, dann wird die Ehristen- heil mit den jüdischen Schakalen eben so leicht fertig !!׳erden, wie einst mit dem osmanischen Löwen. Auch ich bin ein Ehrist, und ich erinnere !!!ich, dast ich in !!!einer anspruchslose!! und vermögenslosen Familie einen Ahnen besitze, der deshalb, weil er ein Protestant gewesen, zur Galeere verurtheilt wurde. Er mnsttc Alles erdulden, was Sie den Juden für die Zukunft zu Thcil werden lassen, und ich erinnere !nich auch desieu, dast, als einige achtzig vortreffliche Magyaren zum Sklavcudicnste verurtheilt wurden, alle Protestanten der Welt sich dieser Sache wegen intcressirten und man Geldmittel ansbot, um diese Leut׳ zu retten.

Damit diese Angeklagten nicht die Leiden der Religion«- Verfolgung zu tragen haben, übernahm ich die Vertheidiguiz.