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nach der Zustimmung des Mädchens fragt man nicht! — echt kavaliermäßig! — fürwahr!
״Mein Herr!" rief Brandensee wärmer werdend.
״Was beliebt?" fragte der Doktor, sich in die Brust werfend.
״Ich bin iin Begriff anSzugchen und ersuche Sic daher. Ihren Besuch zu beenden."
״Und ich crkäre Ihnen, ich werde meinen Besuch nicht beenden, als bis ich die bcstinunte Erklärung er׳ halten, daß Sie meine Braut, *miniem Irene Reizen- stein, nicht weiter belästigen werden."
Zur Bekräftigung feiner Worte warf er sich in einen Sessel und kreuzte heranSsordernd die Arme über die Brust.
״DaS wollen wir sehen!" rief Brandensee, indem er zur Thür eilte, und im Begriffe war, durch einen Druck au den Schcllcuzug die Hausleutc herbei zu rufen und sich mit ihrer Hülfe von dem Uebcrlüstigen zu befreien. Doch er besann sich eiucS Andern, er sah ein, daß er eS mit einem heftig Erregten zu thun hatte, der den größten Skandal zu provoziren im Stande sein werde und seinen Namen, sowie den seiner Braut, in unangenehmster Weise in den Mund der Leute bringen würde. Er beschloß daher, einen andern Weg cinzuschlagen.
״Sie sind aufgeregt, Herr Doktor," sprach er beschwichtigend, ״und Ihrer Aufregung will ich die Ungehörigkeit Ihres Auftretens zu Gute halten. Mein Schwiegervater hat mir allerdings milgetheitt, daß Sie vor längerer Zeit um die Hand seiner Tochter an- gehalten, und daß er Ihre Bewerbung zurückgewiescn. Wenn Sie, wie ich aus dieser Mitheilnug bereits ge- sehen, eine Neigung für Fräulein Rcizenstcin entpfinden, ich Ihre Erregung daher begreiflich finde und sie entschuldige, so hoffe ich doch, Sic werden Einsicht genug haben, zuzugebcn, daß Ihnen auS diesem Allem keinerlei Anspruch erwächst."
״Keinerlei Anspruch!" rief Lilienthal. ״Irene ist meine Braut, ihre Eltern selbst haben unsere Vcr- lobung, allerdings hinterdrein, gutgeheißcn, sie hat mir Liebe und Treue ׳geschworen." ׳
״Wissen Sie was?" fiel Brandensee ein, ״wir wollen die Betreffende selbst zur SchiedSrichtcriu mach-n. Ich bin eben im Begriff, mich zu ihr zu begeben. Begleiten Sic mich, und möge Irene selbst -entscheiden, wen von uns Beiden sie erwählt."
Es war ihm vor Allem darum zu thun, den bis zur Unzurechnungsfähigkeit Erregten aus feiner Wohnung zu schassen. Lilienthal war freudig einverstanden, - er zweifelte nicht, daß Irene, sobald sic seiner ansichtig werden würde, in seine Arme stürzen würde. — Beide begaben sich hinüber in die Wohnung der Familie Reizenstein. Wer sie so neben einander dahin schreiten
sah, hätte sie schwerlich für Nebenbuhler gehalten. Hoffnungsvolle Freudigkeit strahlte ans Lilienthal'ö Angesicht. DeS Grafen weltmännische Gewandtheit trug den gewöhnlichen verbindlichen Ausdruck zur Schau. — Graf Brandensee, als Irenens erklärter Bräutigam, hatte unaugeuteldet Zutritt, er klopfte an und öffnete gleichzeitig die Thür deS SalonS und mit verbindlicher Handbewegung ließ er dem Doktor den Lortritt. Der Salon war leer, das Fräulein befand sich im Neben- zinuner.
״Armin, bist Du'S" rief sie hereineileud. Doch sie stieß einen Schrei deS Entsetzens auS, als sic Lilien׳ thal'S rollenden Augen begegneten, und jchrcckcnbleich taumelte sie zurück. Brandensee umfing sie mit seinen Arnren.
״Irene!" schrie der Doktor und wollte auf sie zu stürzen, doch der Graf hielt ihn zurück.
״Pardon, mein Herr, bis hierher und nicht weiter! Wir waren übcreingekommen, der Entscheidung dieser Dame uns zu unterziehen. Irene.. Geliebte, dieser Herr behauptet, Deine Neigung zu besitzen, sag' an, wen liebst Du, ihn oder mich?"
״Dich, mein Armin!" rief Irene, ihre Arme um den Hals deS Grafen schlingend, ״Dich liebe ich und nur Dich allein — bist Du doch mein Verlobter, mein Bräutigam!"
״Irene!" rief Lilienthal im Tone verzweislungS- vollsten Schmerzes, inoem er flehend die Hände ihr entgcgenstrcckte. Sie aber wandte sich nicht zu ihm, 'schmiegte sich nur'fester an den Grafen, der sie sanft in das anstoßende Zimmer geleitete, dann kehrte er zurück zu dem Doktor, der vollständig. gebrochen in einen Sessel gesunken war.
״Sic werden zugeben müssen, Herr Doktor, daß Sie im Jrrthum waren."
״Ich fordere Satisfaktion!" schrie Lilienthal auf- springend, ״Satisfaktion!" —
״Sie sind aufgeregt, mein bester Herr! pnd will ich daher Ihr vollständig unberechtigtes- Verlangen überhört haben."
״Ich aber wiederhole Ihnen,׳" schrie der Andere wild, ״daß ich Satisfaktion verlange, Satisfaktion!"
,Ich wüßte doch durchaus nicht, weshalb ich mich hcrbeilasjcn sollte, Ihnen Satisfaktion zu geben. Nie im Leben habe ich Sie gefehcu, nie im Leben' bin ich .Ihnen zu nahe getreten."
״Sie wären mir nicht zu nahe getreten? Sie, in dessen Armen ich rncinc Braut gesehen!" .
(Fortsetzung folgt.)